Der ewig pubertierende Lurch

Mexikanische Forscher wollen den Axolotl vor dem Aussterben retten.
Für die Azteken war er die Tierversion des Todesgottes, in Mexiko hat er bis in die 30er Jahre als Delikatesse gegolten, und für die Wissenschaft ist er bis heute ein faszinierendes Forschungsobjekt: der Axolotl, ein nachtaktiver mexikanischer Schwanzlurch mit der Fähigkeit, Gliedmaßen und Organe zu regenerieren.

Gleichzeitig ist die sonderbare Kreatur, deren Gesicht an das stilisierte Lächeln des Smiley-Symbols erinnert, die in ihrer grauen oder braunen Färbung aber auch durchaus furchteinflößend wirken kann, eines der meistbedrohten Tiere der Erde.

In fünf Jahren ausgestorben?
In der gerade von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) präsentierten roten Liste gefährdeter Tierarten ist der Axolotl erneut eingetragen - trotz verzweifelter Bemühungen mexikanischer Biologen, den Schwanzlurch zu retten. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass es schon in fünf Jahren keine Axolotl mehr in freier Wildbahn geben wird.

Tiergewordener Gott
Der Legende nach flüchtete Xolotl, der aztekische Gott des Todes, des Blitzes und des Unglücks, vor der Verbannung durch andere Götter in der Form eines Wassertieres in den Xochimilco-See. Atl bedeutet in der aztekischen Nahuatl-Sprache außerdem Wasser. Der Axolotl ist demnach ein "Wassergott", ein "Wassermonster" oder auch eine "Wasserpuppe".

Verbreitung massiv zurückgegangen
"Wenn der Axolotl verschwindet, ist das nicht nur ein großer Verlust für die biologische Vielfalt, sondern auch für die mexikanische Kultur - und es wäre ein deutliches Zeichen für die Verkümmerung eines einst bedeutenden Seensystems", sagte Luis Zambrano von der Autonomen Universität Mexiko (UNAM).

Die genaue Anzahl der Axolotl in freier Wildbahn ist unbekannt. Zambranos Team hat aber herausgefunden, dass es in ihrem Lebensraum heuer nur noch rund zehn Tiere pro Quadratkilometer gibt. 1998 waren es noch etwa 580.

In Seen rund um Mexiko-Stadt heimisch
Dass die bis zu 30 Zentimeter langen Tiere überhaupt so lange in ihrem natürlichen Lebensraum überlebt haben, ist ein Wunder.

Heimisch ist der Axolotl ausschließlich in kleinen Seen in und um Mexiko-Stadt, vor allem im Xochimilco-See. Dieser zählt mit seinen "schwimmenden Gärten" und den an Venedig erinnernden Kanälen zwar zum UNESCO-Weltkulturerbe, an der Wasserqualität liegt dieses Prädikat aber mit Sicherheit nicht.

Seen trockengelegt
Der Untergang des Schwanzlurchs begann schon vor Jahrhunderten, als die spanischen Konquistadoren die Seen teilweise trockenlegten. Der Chalco-See wurde in den 1970ern aus Angst vor Überschwemmungen komplett abgepumpt, und der Xochimilco-See wurde als Abwasserbecken missbraucht.

Vor rund zwei Jahrzehnten wurden außerdem asiatische Karpfen und afrikanische Buntbarsche angesiedelt, um die Fischerei anzukurbeln - eine für den Axolotl fatale Entscheidung, denn die fremden Arten fressen seine Eier und konkurrieren mit ihm um Nahrung.

Schutzzonen geplant
Wie man das "Seemonster" retten kann, ist auch unter Wissenschaftlern umstritten. In den nächsten Monaten soll aber zumindest in einem Pilotprojekt ein Schutzgebiet für die Lurche getestet werden, um das es Barrieren für Karpfen und andere nicht-heimische Arten gibt. Zambrano will längerfristig bis zu 15 solcher Schutzzonen errichten.

Überlegt wird auch, ob man künstlich gezüchtete Axolotl in der freien Wildbahn aussetzen soll; dabei könnte es allerdings zu Krankheiten und zu genetischen Problemen kommen.

Für immer jung
Als gezüchtetes Haustier und in Labors ist der Axolotl aber durchaus verbreitet. Kein Wunder: Spätestens seit Alexander von Humboldt 1804 zwei Exemplare von einer seiner Reisen nach Europa brachte, sind Forscher ungebrochen fasziniert.

Der Lurch bleibt nämlich sein Leben lang "jung", sprich im Larvenstadium. Und er besitzt die erstaunliche Fähigkeit, verloren gegangene Gliedmaßen, verletzte Organe und teilweise sogar das Gehirn ganz einfach nachwachsen zu lassen. Selbst ein ausgewachsener Axolotl ist in der Lage, etwa einen abgeschnittenen Schwanz binnen weniger Wochen zu regenerieren - und zwar mitsamt den Knochen, Nerven- und Muskelfasern.

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