Verbrechen gegen Menschlichkeit nicht verjährt

Familie willigte nach langem Zögern ein.
Der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzon hat die Gräueltaten während der Franco-Diktatur (1939-1975) und des vorangegangenen Bürgerkriegs als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Diese seien daher auch nicht verjährt und müssten untersucht werden, entschied er am Donnerstag in Madrid.

Das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977 sei auf diese Verbrechen nicht anwendbar. Zugleich ordnete der Richter die Öffnung von 19 Massengräbern mit Hinrichtungsopfern aus dem Bürgerkrieg (1936-1939) an. Auch die Leiche des im August 1936 von den Faschisten erschossenen Dichters Federico Garcia Lorca soll exhumiert werden.

Berühmtester Dichter seiner Zeit
Spaniens berühmtester zeitgenössischer Dichter war den Faschisten als Linker, Homosexueller und "Volksdichter" besonders verhasst. Der Autor der "Zigeunerromanzen" und von Theaterstücken wie "Bernarda Albas Haus" wurde nur 38 Jahre alt.

Mit brutalen Worten brüstete sich Juan Luis Trescastro am 18. August 1936 in einem Cafe im südspanischen Granada, Garcia Lorca erschossen zu haben: "Ich habe der schwulen Sau zwei Kugeln in den Arsch gejagt."

Spaniens bis heute meistübersetzter Poet des 20. Jahrhunderts war nur einen Monat nach Beginn des Bürgerkriegs von den Faschisten festgenommen und mit drei weiteren Gefangenen hingerichtet worden. Als Lorca bereits von mehreren Schüssen durchsiebt tot in dem Massengrab lag, bespuckten und beschimpften die Schergen des späteren Diktators Francisco Franco ihn als "Roten".

Familie zögerte lange mit Einverständnis
Historiker und Schriftsteller haben jahrelang versucht, die Exhumierung des Autors zu erreichen, um ihm eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen. Allen voran der irische Hispanist und Lorca-Biograf Ian Gibson, der das Grab nahe Granada in der Schlucht von Viznar 1971 entdeckt hatte. Doch die Erben des Dichters weigerten sich stets. Die Grabstätte dürfe nicht "entweiht" werden, lautete das Argument.

Erst Mitte September erklärte sich die Familie Garcia Lorcas mit der Öffnung des Grabes einverstanden, in dem sich auch die sterblichen Überreste zweier Anarchisten und des Lehrers Diascoro Galindo befinden.

Noch kein Termin
Die Enkelin des Lehrers, Nieves Galindo, möchte durch eine Exhumierung herausfinden, ob ihr Großvater tatsächlich dort begraben wurde, und hatte einen entsprechenden Antrag an Garzon gestellt. Einen Termin für die Exhumierung gibt es noch nicht.

Der Diktator Franco und die 34 ranghöchsten Mitglieder seines Regimes seien bereits tot und könnten deshalb als Hauptverantwortliche nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings will Garzon feststellen lassen, ob die obersten Anführer der damaligen Falange-Staatspartei noch am Leben sind und somit möglicherweise belangt werden können.

Staatsanwaltschaft will Einspruch erheben
Mit seiner Entscheidung gab der Richter einem Antrag von 22 Verbänden von Hinterbliebenen der Franco-Opfer statt. Die spanische Regierung kündigte ihre Bereitschaft an, bei der Aufklärung des Schicksals von Tausenden Verschwundenen zu helfen.

Die Staatsanwaltschaft will jedoch Einspruch erheben. Ihrer Ansicht nach fallen die Verbrechen sehr wohl unter das Amnestiegesetz, mit dem 1977 ein Schlussstrich unter dieses Kapitel der spanischen Geschichte gezogen werden sollte.

Hunderttausende Opfer
Im Bürgerkrieg waren zwischen 450.000 und 600.000 Menschen ums Leben gekommen. Selbst nach Ende des Konflikts ließ Franco Schätzungen zufolge etwa 150.000 Gegner erschießen. Noch heute liegen rund 40.000 Tote in namenlosen Massengräbern. Viele von ihnen gelten weiterhin offiziell als verschwunden.

Nach dem Tod des Diktators im Jahr 1975 bewahrten die Parteien aus Rücksicht auf einen reibungslosen Übergang zur Demokratie weitgehend Stillschweigen über die Geschehnisse.

Geschichtsaufarbeitung erst durch Zapatero
Erst seit Regierungsantritt des Sozialisten Jose Luis Rodriguez Zapatero hat die Aufarbeitung der Franco-Zeit politische Priorität. Ende vergangenen Jahres wurde ein Gesetz zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs und der Diktatur verabschiedet. Rund eine Million Opfer politisch motivierter Verfolgung sollen nun eine moralische Wiedergutmachung bekommen.

Die Regierung will Überlebenden und Hinterbliebenen die Möglichkeit einräumen, ein entsprechendes Dokument des Justizministeriums zu beantragen. Darin sollen sie oder ihre Angehörigen offiziell als Opfer anerkannt und rehabilitiert werden. In Einzelfällen will die Regierung auch Entschädigungen von 135.000 Euro gewähren.

Staatsangehörigkeit für Freiwilligenheer
Außerdem soll den Angehörigen der internationalen Brigaden, die aufseiten der Republik gegen die Franco-Truppen kämpften, auf Wunsch die spanische Staatsangehörigkeit zuerkannt werden. Von den damals rund 60.000 Freiwilligen aus 60 Ländern leben heute noch etwa 1.000. Außerdem wurde begonnen, Denkmäler und Symbole der Franco-Zeit aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.

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