Betonzylinder um 80 Millionen

Bauprojekt um mindestens 80 Millionen Euro.
Für Archäologen ist es ein Horror gewesen: 1955 musste die historische Thraker-Hauptstadt Seuthopolis einem Stausee weichen. Für die bulgarischen Kommunisten war der Georgi-Dimitrov-Damm damals ein Prestigeprojekt, heute trauert man der untergetauchten antiken Fundstätte nach.

©Bild: Seuthopolis National Initiative
©Bild: Seuthopolis National Initiative
Allerdings nicht mehr lang, wenn es nach einem der renommiertesten bulgarischen Architekten geht: Jeko Tilev will Seuthopolis wieder freilegen - mit einem spektakulären ringförmigen Betondamm, einer trockenen Enklave mitten im Stausee.

Hervorragend erhalten
Die Überreste der Stadt wurden 1948 im Zuge der Bauarbeiten für den Georgi-Dimitrov-Staudamm (heute: Koprinka-Staudamm) in Zentralbulgarien entdeckt. Bis zur Fertigstellung des Damms durften die Archäologen forschen, doch dann kannte das kommunistische Regime keine Gnade mehr: An archäologischen Sensationen war man offenbar nicht interessiert.

In der Theorie ist Seuthopolis die am besten erhaltene Thraker-Stadt, doch wer sie besuchen oder gar weiter erforschen will, braucht eine Tauchausrüstung. Ins Weltkulturerbe der UNESCO können die Ruinen auch nicht aufgenommen werden.

"Graue Maus der Antike"
Mit dem monströsen Projekt soll sich all das ändern. Tilev will eine in seinen Augen längst fällige Imagekorrektur anregen. "Der Thraker gilt heute als die graue Maus der Antike", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" jüngst in einem Bericht über das Projekt des bulgarischen Architekten. Den Römern, den Griechen, selbst den Skythen sei "ein schöner Platz im Pantheon des kollektiven Gedächtnisses" bereitet worden, schreibt die Zeitung.

Wahrzeichen gesucht
©Bild: Seuthopolis National Initiative
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Das reiche Kulturerbe der Thraker fristet im Vergleich ein recht stiefmütterliches Dasein; nur in Bulgarien selbst - dem Kernland des historischen Siedlungsgebietes - ist nach einer Blockbuster-Ausstellung in Warna vor zwei Jahren die Aufmerksamkeit geweckt.

Die bulgarische Vereinigung für Touristeninformation suchte vor kurzem sogar via Umfrage nach einem möglichst repräsentativen Wahrzeichen für das Land. Unter anderem standen das Rila-Kloster und die antike Thraker-Stätte Perperikon zur Auswahl.

Glasaufzüge und hängende Gärten
Für den Tourismus würde die trockengelegte Hauptstadt auf dem Grund des Stausees auf jeden Fall eine Lücke füllen, mehr noch: Tilevs spektakuläres Projekt würde so mancher antiken Konkurrenz in anderen Ländern wohl die Show stehlen.

©Bild: Seuthopolis National Initiative
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Die Pläne sehen vor, dass die Besucher mit Booten zum Ringdamm gebracht werden und an Stegen anlegen. Terrassen und Glasaufzüge führen zu den Ausgrabungen 20 Meter unter dem Wasserspiegel.

Die Innenmauern des Walls sollen mit hängenden Gärten, Restaurants und Geschäften zu einer eigenständigen Attraktion werden. Und die komplette Stätte soll in der Nacht hell erleuchtet werden.

Nur eineinhalb Jahre Bauzeit
Die Vision scheint utopisch, doch ihre Verwirklichung ist in greifbarer Nähe: Das bulgarische Kulturministerium hat grünes Licht gegeben, potenzielle Geldgeber unter anderem aus den Niederlanden, Kuwait und Griechenland haben schon Interesse angemeldet.

©Bild: Seuthopolis National Initiative
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Laut der Projekt-Website wird der Bau 80 bis 85 Millionen Euro kosten, eine mögliche unterseeische Direktverbindung zwischen Kazanluk und Seuthopolis nicht eingerechnet. Tilev will kaum auf staatliche Mittel zurückgreifen, sondern setzt auf Public Private Partnerships. Ist die Finanzierung geregelt, soll die Umsetzung relativ schnell geschehen: Innerhalb von eineinhalb Jahren soll der Betonzylinder fertig sein.

Politik und Religion
Seuthopolis wurde vom Thraker-König Seuthes III. im 4. Jahrhundert vor Christus als seine Residenzstadt gegründet. Der geplante Ringdamm spielt auf die alte, 890 Meter lange Stadtmauer an, die die flächenmäßig kleine, aber politisch einflussreiche Stadt einst umgab.

Das Volk lebte größtenteils außerhalb der Stadtmauern. Seuthopolis war hauptsächlich ein Verwaltungssitz; Seuthes' persönlicher Palast diente zudem als Kultstätte für die Gottheiten der Kabiren.

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