Pressestimmen

"Kurier", "OÖN", "Die Presse", "Der Standard", "Kleine Zeitung", "Tiroler Tageszeitung".
"Kurier", Wien / 27.9.2008
Gefühlshaushalt und Staatshaushalt
Von Christoph Kotanko

Morgen wird der neue Nationalrat gewählt. In den Parteizentralen laufen längst die Planspiele für den Tag danach. Es wird, wenn nicht alles trügt, drei ungefähr gleich große Gruppen geben: die SPÖ, die ÖVP und das dritte Lager - Strache & Haider. Nachdem Kanzler Schüssel ab dem Jahr 2000 die FPÖ bzw. das BZÖ fast ruiniert hatte, ermöglichten Gusenbauer und Molterer ab 2006 die Rekonstruktion der Rechtsparteien.

Große Worte, k(l)eine Taten - die alten Staatsparteien schrumpfen wegen ihrer Versäumnisse. Die Wähler haben das inflationäre Reformgerede satt. "Reform" bedeutet eine tiefgreifende Veränderung eines Sachverhalts: Ein Problem wird erkannt und behoben. (...) Die regelmäßig angekündigten Steuerreformen oder Schulreformen verdienen diese Benennung nicht. (...)

Die einfache Lösung wäre eine jährliche Anpassung der Steuertarife. Dann kommt es zu Steuerausfällen, die auszugleichen wären - durch Sparsamkeit im öffentlichen Dienst, durch eine bessere Aufgabenverteilung von Bund, Ländern und Gemeinden ("Föderalismusreform", auch so ein Codewort fürs Nichtstun). Diese unbequemen Entscheidungen hat die Politik bisher gescheut. Die nächste Koalition wird an ihrer Courage zu messen sein.

"Oberösterreichische Nachrichten", Linz / 27.9.2008
Oh du mein Österreich
Von Gerald Mandlbauer

Montagmorgen nach der Wahl wird vielleicht die Einsicht überwiegen, dass wir nichts gewonnen haben außer die Erkenntnis, dass die beiden Großparteien keine mehr sind. Nächster Kanzler wird voraussichtlich sein, wer von zwei Verlierern sich am Sonntagabend weniger schlecht geschlagen haben wird. Diese Auslese unter Einäugigen wird im Jubel des Siegers untergehen. Wir werden auch das überleben.

Der Wahlkampf hat gezeigt, wofür uns die Kandidaten halten: für eine leicht zu korrumpierende Masse, die für ein paar Brösel, die sie sich selbst bezahlt, in der Wahlkabine Danke sagt. Dieser Wahlkampf war eine Beleidigung für nachdenkliche, besorgte, kluge Wähler (...). Hauptsache, es bleibt alles so, wie es ist. Darum geht es bei dieser Wahl. Sie ist ausgerichtet auf jene Kerngruppen gewesen, die seit 40, 50, 60 Jahren so wählen, wie sie immer gewählt haben.

(...) Es geht also um die Kernfrage, wer zu Veränderung bereit ist - im ganzen Land und an sich selbst. Wer angesichts der zur Wahl stehenden Kandidaten keine Aussicht auf eine solche Veränderung erkennen kann, dem bleibt folgende Einsicht: Österreich ist ein Acht-Millionen-Tropfen im EU-Meer der 500 Millionen. Das Notwendige wird uns aufgezwungen werden, egal wer in Wien regiert. Und das ist gut so.

"Presse", Wien / 27.9.2008
Aussichten auf das Mittelmaß
Von Michael Fleischhacker

Vermutlich gab es in der Zweiten Republik noch nie so viele Menschen wie an diesem Sonntag, die den Gang in die Wahlkabine aus reiner demokratischer Pflichterfüllung antreten und nicht, weil eine der wahlwerbenden Parteien sie mit ihrem Programm hätte überzeugen können. (...) Die Wahlauseinandersetzung, gerade auch das sogenannte "Kanzler-Duell" am Dienstag dieser Woche, hat gezeigt, dass keiner der Spitzenkandidaten über Kanzlerformat verfügt. (...)

Mehr als je zuvor haben wir es also bei dieser Wahl mit der Entscheidung für das geringere Übel zu tun. Für diese Entscheidung war vermutlich die Wahlkampfsitzung des österreichischen Nationalrates, bei der ungefähr das geplante Volumen der nächsten Steuerreform verjuxt wurde, keine schlechte Hilfe: SPÖ und FPÖ haben agiert, als gäbe es kein Morgen, ÖVP und Grüne übten sich einigermaßen in verantwortungsbewusster Zurückhaltung, Jörg Haiders BZÖ ist immer dort zu Stelle, wo es taktisch etwas zu gewinnen gibt.

Innerhalb eines demokratischen Systems, das sich dadurch auszeichnet, dass der Wähler weiß, was er kriegt, wäre die Entscheidung nicht schwer: Wer sich heute möglichst viel von dem Kuchen abschneiden will, den die nächsten Generationen zu bezahlen haben, und im Zweifelsfall die Schuld am Kuchenschwund bei den bösen Zuwanderern oder der EU und ihren perfiden Kuchenrichtlinien suchen will, wählt SPÖ und FPÖ.

Wer einen Rest an Skrupeln und ökonomischer Vernunft im nächsten Nationalrat vertreten sehen will, wählt ÖVP, Grüne oder die Liberalen. Wer sich zu Jörg Haiders Spielernatur hingezogen fühlt und/oder eine Lebensgrundlage in Kärnten braucht, wählt das BZÖ. Wirklich gut aufgehoben sind alle diese Stimmen nicht: Wer Grün wählt, bekommt vielleicht Rot-Grün, wer Schwarz wählt, bekommt vielleicht Schwarz-Blau, wer Rot wählt, bekommt vielleicht wieder eine Große Koalition. Das zeigt, dass auch und gerade nach dieser Wahl die Diskussion über eine Wahlrechtsreform geführt werden muss. Österreich droht sonst endgültig im Mittelmaß zu ertrinken.

"Der Standard", Wien / 27.9.2008
Der Retrowahlkampf
Von Alexandra Föderl-Schmid

Es hätte so spannend werden können: Bundesweit treten erstmals zehn Parteien zur Nationalratswahl an. Die Palette an Möglichkeiten schien zu Sommerbeginn größer zu sein als bei vergangenen Urnengängen. Jetzt, Ende September, verengen sich die Perspektiven wieder. Der Grund dafür: Unterm Strich war es ein Deja-vu- und Retrowahlkampf. (...) Wie in den 90er Jahren buhlten SPÖ und ÖVP um die BZÖ-Stimmen und ließen sich vor Haiders Karren spannen.

Auch bei den Wahlkampfthemen gab es nichts Neues. Die SPÖ hat den Klassenkampf wiederentdeckt und folgerichtig einen Feldzug gegen die Teuerung geführt. Damit ist es ihr gelungen, jenes Thema zu setzen, das diesen Wahlkampf dominiert hat. Durch die von Faymann vorgenommene Änderung der Europapolitik hat sie sich von einer weltoffenen Haltung, die Franz Vranitzky vertreten hat, verabschiedet und ist auf den von "Kronen Zeitung" und FPÖ vorgegebenen Kurs eingeschwenkt.

Auch die ÖVP hat Anleihen an früheren FPÖ-Wahlkämpfen genommen. Ihre Slogans ("Sichere Heimat - ohne Deutschkurse keine Zuwanderung") unterscheiden sich durch das Parteilogo, aber nicht vom Inhalt von Parolen der Parteien am rechten Rand. Die politischen Forderungen der Grünen und des Liberalen Forums schienen aus dem Ablageordner genommen und nicht entstaubt worden zu sein.

Auch die anderen Kleinparteien boten in diesem Wahlkampf nichts wirklich Neues: nur die Bedienung ihrer Klientel (Christen, Rettö) oder altbekannte Umverteilungsfloskeln (KPÖ, Fritz). Dass erstmals 16-Jährige bei einer Nationalratswahl wählen dürfen, scheint keiner der wahlwerbenden Gruppen aufgefallen zu sein. Stattdessen wurde im Nationalrat diese Woche ein Seniorenpaket mit einer beträchtlichen Einmalzahlung, der Verlängerung der Hacklerregelung und der Gewährung von Heizkostenzuschüssen einstimmig beschlossen. Das passt zum Abschluss dieses Wahlkampfes: Retro statt Zukunft.

"Kleine Zeitung", Graz / 27.9.2008
Der lange, blutige Weg vom Scheiterhaufen in die Wahlzelle
Von Frido Hütter

Wenn Sie morgen einigermaßen sicher aufseiten einer stabilen Mittelpartei landen wollen, gehen Sie einfach nicht wählen. (...) Beim Urnengang 2006 lag diese Schattenpartei mit 21,5 Prozent (das sind 1,3 Millionen Nichtstimmen) weit vor den Grünen und der FPÖ auf Rang drei. Man könnte es einen Aufschrei des Schweigens nennen. Bloß: Wer soll diesen hören? Und: Was kann er bewirken?

Im nämlichen Fall gar nichts, denn trotz dieser erschreckend hohen Verweigerung rissen sich die solcherart Abgelehnten nicht am Riemen und schufen kein neues Vertrauen in ihre Arbeit. Was wir 2006 bekommen haben, war eher eine Bundesnegierung, die sich lange vor ihrem Ablaufdatum selbst an die Wand fuhr. (...)

Dummerweise haben die Nichtwähler weder Sitz noch Stimme im Hohen Haus. Sie sind de facto völlig machtlos und somit für jene, die Macht erringen und behalten wollen, völlig uninteressant. Bis auf ein paar Betroffenheitsfloskeln haben die Nichtwähler keinerlei Beachtung zu erwarten.

Die Wahl zu haben ist ein Geschenk, das wir Aufrührern, Denkern und politischen Märtyrern verdanken. (...) Das vielleicht wichtigste Diktum zu diesem Thema stammt von Friedrich Torberg und lautet: "Wer sich nicht um Politik kümmert, muss damit rechnen, dass sich die Politik alsbald um ihn kümmert." - Das sollte eigentlich reichen, um morgen den Weg in die Wahlzelle zu finden.

"Tiroler Tageszeitung", Innsbruck / 27.9.2008
Erdbeben oder Lärm um nichts
Von Frank Staud

Jetzt reicht's. Mit diesem Satz von Wilhelm Molterer begann einer der härtesten Wahlkämpfe in der jüngeren rot-weiß-roten Geschichte. Jetzt reicht's, werden sich daher auch viele Wählerinnen und Wähler denken. (...) Es ist daher zu befürchten, dass die Nichtwähler am Sonntag ein heißer Anwärter auf Platz eins sind und zur stimmenstärksten Partei werden. (...)

Gerade in politisch turbulenten Zeiten sollten die BürgerInnen keine Chance auslassen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Allein in Tirol kann unter elf Listen ausgewählt werden. Wer nicht wählt, unterstützt indirekt automatisch jene Partei, die am meisten Stimmen erhält. Das ist selbst für Politikverdrossene eindeutig die schlechtere Wahl.

Ob am Sonntag ein politisches Erdbeben ansteht oder die letzten Wochen letztendlich "Viel Lärm um nichts" bringen, bleibt abzuwarten. Kommt es nach dem 28. September wieder zu einer Großen Koalition, wird sich das Wahlvolk größtenteils verschaukelt vorkommen. Viele werden sich fragen, wozu waren dann Neuwahlen nötig? Daher spricht viel dafür, dass SPÖ und ÖVP versuchen, eine Alternative mit anderen Parteien zustande zu bringen.

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