Der deutsche Gourmetpapst und Gastronomiekritiker, der auch die Esskultur hierzulande maßgeblich beeinflusst hat und dem dafür vor kurzem das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen wurde, feiert am Freitag seinen 80. Geburtstag.
Geliebt, verhasst
Seit rund vier Jahrzehnten hält Siebeck mit seinen messerscharf formulierten Kolumnen in der "Zeit" und der Zeitschrift "Der Feinschmecker" die Küchenchefs nicht nur im deutschsprachigen Raum auf Trab.
Sogar Paul Bocuse soll er einmal zur Weißglut getrieben haben, weil er den "ungesunden" Kochstil des französischen Starkochs kritisiert und seine Restaurants mit Autobahnraststätten verglichen hatte.
Kein Wunder, dass Siebeck diverse klingende, aber nicht immer schmeichelhafte Spitznamen verliehen wurden: "Adorno mit dem Schneebesen" etwa, "Mark Twain der Küche" und auch "Zuchtmeister des deutschen Geschmacks".
Siebeck will aufklären
Mit spitzer Feder und beißender Ironie kämpft er bis heute für höchste Qualität beim Essen und Trinken. "Bei mir steht die Aufklärung der Konsumenten an oberster Stelle", so Siebeck.
Deswegen müsse er - so wie der Musikkritiker gegen falsche Töne - natürlich gegen veraltete Zubereitungsweisen, verfälschte Produkte und hoffnungslos überschätzte Weine anschreiben.
"Meine Mutter kochte miserabel"
Zum Gourmet ist Siebeck nicht im Elternhaus geworden: "Meine Mutter kochte miserabel, außerdem gab es in den Kriegsjahren nichts Gescheites zu essen."
Siebeck, geboren und aufgewachsen im Ruhrgebiet, bemalte nach dem Zweiten Weltkrieg Werbeschilder und arbeitete später als Pressezeichner und Illustrator. In den 60ern schrieb er für die Zeitschrift "Twen" seine ersten kulinarischen Artikel.
Frankreich ist "stilbildend"
Als Filmkritiker lernte er die französische Küche kennen und schätzen. "Da habe ich zum ersten Mal richtig gegessen und meine kulinarische Leidenschaft entdeckt", so Siebeck, der viele Kochkurse in Frankreich besuchte und später selbst veranstaltete.
Seitdem ist Paris für ihn "immer maßgebend und stilbildend", weil die französische Küche durch ihren inneren Antrieb dynamisch sei.
Gegen Fast Food
"Genießen lässt sich lernen", betont er aus eigener Erfahrung. Deshalb kämpft er gegen Fast Food und Fertiggerichte. "Die Leute fressen das Zeug, bis sie platzen. Man kann nur hoffen, dass die dann auch wirklich platzen", sagte er in einem Interview. Und für Produkte und Zutaten von höchster Qualität. "Statt im Supermarkt sollten die Menschen beim guten Metzger, Käsehändler oder Erzeuger einkaufen."
"Konzentrieren Sie sich auf die Schreiberei"
Sogar er selbst habe sich als Weinhändler versucht, mit "irgendwelchen Weinen" aus dem Burgund, die er nach Deutschland mitbrachte, sagte Siebeck in einem Geburtstagsinterview mit seinem Stammblatt, der "Zeit".
"Die Weine waren auch gut. Aber nach zehn Jahren hat der Steuerberater zu mir gesagt: 'Wissen Sie, mit dem Laden machen Sie ja nur Kosten. Ich weiß, Sie haben Keller voller guter Weine, die Sie selber saufen. Konzentrieren Sie sich auf die Schreiberei!'"
"Dieser Scheißberuf muss mir Spaß machen"
Auf seine Kritiken habe seine Frau einen großen Einfluss, so Siebeck in der "Zeit" selbstironisch - "schon allein deshalb, weil ich immer viel mehr trinke als sie und mich auch aus diesem Grund darauf verlassen muss, dass auch sie was vom Essen mitbekommt".
"Eigentlich ist das ja nicht so gut. Eigentlich dürfte ich ja nicht so viel trinken. Um richtig objektiv zu sein." Er habe beschlossen, "dieser Scheißberuf muss mir Spaß machen. Und ich trinke nun mal sehr gerne Wein."
"Ich bin arrogant"
Den Vorwurf, den Siebeck wohl am öftesten gehört hat, ist jener, er sei zu elitär. Schon 1975 schrieb Günther Herburger im Gedicht "Zur Verbesserung des Feuilletons", das in der linken Zeitschrift "Konkret" erschien, man solle "Wolfram Siebeck verbieten, über Essen zu schreiben, und ihn drei Tage mit Heftpflaster über dem Mund in die Bahnhofsgaststätte von Würzburg setzen ..."
Siebeck hat damit kein Problem. Sicher sei er elitär: "Manche sagen ja auch, ich sei arrogant. Ich bin arrogant!"
Links:
- Biografie (Wikipedia)
- "Zeit" über Siebeck