Kulturhauptstadt räumt mit Geschichte auf

Mit dem "Sonderauftrag Linz" wollte Hitler ein "Führermuseum" mit beschlagnahmten Werken großer Meister begründen.
Kaum eine andere von Europas Kulturhauptstädten der vergangenen Jahre musste eine solch problematische Vergangenheit präsentieren. Linz ist eng mit der Lebensgeschichte Adolf Hitlers verknüpft.

©Bild: APA/Katharina Maurer
©Bild: APA/Katharina Maurer
Statt diesen Teil der Historie zu verstecken, wählt man den offensiven Weg. Mit der Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers" will sich Linz bereits Monate vor seiner Regentschaft als europäische Kulturhauptstadt 2009 den Tatsachen stellen.

"Wie geht man mit einer Geschichte um, die nicht opulent herzeigbar ist? Es gibt nur den Weg der vorbehaltlosen Offenheit", sagt der Intendant der Kulturhauptstadt-Initiative Linz 2009, Martin Heller. Die Ausstellung ist bis März im Schlossmuseum zu sehen.

Gigantomanische Pläne
©Bild: Grete Eckert
©Bild: Grete Eckert
Hitler, der in Linz zur Schule ging, kürte die Stahlstadt zu einer von fünf "Führerstädten" im Deutschen Reich. Kulturstätten sollten gegründet werden, gigantische Bauwerke entstehen. Außer dem Bau der Nibelungenbrücke blieben diese Ideen jedoch unverwirklicht.

"Keiner dieser Pläne ist Realität geworden, wir weinen dem auch keine Träne nach", sagte der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) bei der Ausstellungseröffnung am Dienstag.

Planung schon ab 1938
Als "Heimatgau des Führers" erhoffte sich Linz damals einen Bedeutungszuwachs und das Image des Provinziellen abzuschütteln. Pläne für ein neues Linz wurden von Hitler bereits ab 1938 vorgenommen. Herangezogen wurden die berühmtesten Architekten des "Dritten Reichs".

Hitlers persönliches Interesse an Linz habe vielfach nur in Fantasien bestanden, die um den "Heimatstadtmythos" kreisten, jedoch kaum in realer Förderung, so die Kuratorin Birgit Kirchmayr.

Hitler wollte Linz zu einer Kulturmetropole an der Donau machen. Geplant waren ein monumentaler Theaterneubau am Donauufer nach Budapester Vorbild sowie eine "Prachtstraße" - ein großer Kulturplatz - in Bahnhofsnähe. Dort sollten bis 1955 ein neues Opernhaus und ein "Führermuseum" gebaut werden.

"Sonderauftrag Linz"
Die Schaffung dieses komplett neuen Museums wurde mit dem Titel "Sonderauftrag Linz" versehen. Das Projekt sei die herausragendste und gleichzeitig folgenschwerste kulturpolitische Planung, so Kirchmayr. In Alben sammelte der Diktator Fotos von Werken für "sein" Museum. Darunter befanden sich Bilder von Dürer, Goya, Vermeer und Rembrandt.

Jüdische Besitzer wurden enteignet oder sie mussten sich mit Spottpreisen für ihre Kunstwerke abfinden. Hitler hatte sich ein Erstzugriffsrecht auf sämtliche im "Dritten Reich" beschlagnahmten Kunstwerke gesichert.

Die Schau zeigt die Dimension dieses Vorhabens, die persönliche Verbundenheit Hitlers zu dem Projekt sowie persönliche Schicksale, die hinter dem geplanten Museum standen.

Idylle und Schrecken
Die Schau ist in zwei Teile geteilt. Im ersten Abschnitt wird der kulturpolitische und zeitgeschichtliche Hintergrund erklärt, im zweiten sind Zeugnisse des realen künstlerischen Lebens während der NS-Diktatur zu sehen.

Nach Hitlers Machtübernahme und dem "Anschluss" Österreichs an Deutschland "ermalten" sich Künstler wie Franz Xaver Weidinger mit wehenden Hakenkreuzfahnen und glücklichen, in Reih und Glied stehenden Menschen seine Gunst. "Linz erwartet den Führer", heißt ein Bild. Andere Künstler konzentrierten sich mit Land- und Familienidyllen auf Unpolitisches.

Doch die Ausstellung zeigt gleich daneben auch die Schrecken der NS-Diktatur: Totenköpfe und völlig abgemagerte Körper in Konzentrationslagern, gezeichnet von Simon Wiesenthal.

Bewusst vorgezogen
"Wir wollen nicht als Nazi-Land dargestellt werden, aber auch nicht verschweigen, was sich hier getan hat", betonte Pühringer. Oberösterreich habe sich im Umgang und bei der Bewältigung des Themas nichts vorzuwerfen. Dennoch sei es die Pflicht eines Kulturlandes, sich intensiv "mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte" zu befassen.

Heller verwies auf den Bereich Zeitgeschichte, der im Programm von Linz09 einen deutlichen Schwerpunkt bilden soll. Die Ausstellung sei ganz bewusst dreieinhalb Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres gestartet worden, da Linz auch ein Recht darauf habe, später anders - "in einem positiven und fröhlichen Sinn" - wahrgenommen zu werden, betonte der Intendant.

Schonungslose Darstellung
Wenn das Kulturhauptstadtjahr 2009 beginnt, soll die NS-Vergangenheit der Stadt zwar weiterhin thematisiert werden, aber nicht alles überlagern.

"Unsere Hoffnung ist, eine Balance zwischen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Zukunftsorientiertheit der Stadt zu schaffen", sagte der stellvertretende Intendant von Linz09, Ulrich Fuchs. Dieser Spagat sei auch der deutschen Kulturhauptstadt Weimar 1999 mit Schiller, Goethe und dem KZ Buchenwald gelungen.

Und erste Kritiken der Ausstellung meinen, dass auch Linz09 mit dem provokanten Titel "Kulturhauptstadt des Führers" eine schonungslose wie aufschlussreiche Darstellung der eigenen Geschichte gelungen ist.

Links: