Germanist erlag Lungenembolie

Wendelin Schmidt-Dengler war eine "unverzichtbare Figur des öffentlichen Lebens in Österreich".
Der prominente Germanist Wendelin Schmidt-Dengler ist völlig überraschend am Sonntag im Alter von 66 Jahren gestorben. Das teilte das Institut für Germanistik der Universität Wien am Montag der APA mit. Schmidt-Dengler erlag einer Lungenembolie, wie es weiter hieß.

Schmidt-Dengler war ohne Zweifel der prominenteste Literaturwissenschaftler Österreichs, nicht nur, weil er als Vorstand des Instituts für Germanistik der Universität Wien und Leiter des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek international den besten Ruf genoss.

Spitze Zunge
Durch seine spitze Zunge und seine zahlreichen Medienauftritte war er so etwas wie Österreichs "Literaturpapst". Im Vorjahr wurde er vom Club der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum Wissenschaftler des Jahres 2007 gekürt.

Und heuer sollte ihm im Rahmen der Frankfurter Buchmesse der vom Verlag Hoffmann und Campe ausgelobte Preis der Kritik verliehen werden, dotiert mit 99 Flaschen Wein und einer Werkausgabe Heinrich Heines.

"Gründlich, kritisch und meinungsstark"
"Unermüdlich darin, auch die randständige Literatur selbstbewusst in die Mitte der Gesellschaft zu tragen, ist er mit der Zeit zu einer unverzichtbaren Figur des öffentlichen Lebens in Österreich geworden", begründete der Verlag erst vor wenigen Tagen die Entscheidung.

"Heute steht sein Name für eine Kultur der aufgeklärten Lektüre, gründlich, kritisch und meinungsstark."

"Wollte Literatur nicht studieren"
Am 20. Mai 1942 in Zagreb geboren, wusste Schmidt-Dengler während seiner Schulzeit in Wien genau, dass er nicht Germanistik studieren wollte. "Ich habe Literatur geliebt, aber gerade deshalb wollte ich es nicht studieren. Ich dachte, das ist ein Bereich, den ich für mich behalte."

Auf Anraten seines Lateinlehrers entschloss er sich dann doch, die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sein Hauptfach, in dem er schließlich über Aurelius Augustinus' "Confessiones" promovierte, war dennoch die Klassische Philologie.

Eine Reihe von Zufällen
Dass es ihn im Anschluss daran nicht als Lehrer ans Gymnasium, sondern als Assistent an die Germanistik verschlug, war Zufall. "So hat sich dann Chance um Chance ergeben."

Ähnliche Folgen hatte die Freundschaft mit Heimito von Doderers Sekretär Wolfgang Fleischer, der Schmidt-Dengler nach Doderers Tod die Betreuung des Nachlasses anvertraute und so in ihm die Freude an der Arbeit mit Handschriften, am "Kennenlernen des Schriftstellers vom Material her" weckte. "Das hat sich so fortgesetzt, dass ich später Leiter des Literaturarchivs wurde", so Schmidt-Dengler.

Schmidt-Dengler und die Politik
Auch an der Universität, wo er 1989 zum ordentlichen Professor berufen wurde, erklomm er schon bald die Institutsspitze, von der aus er sich bis zuletzt aktiv in das Universitätsgeschehen einmischte.

In einem "Anfall von Überschätzung der eigenen politischen Fähigkeiten" wurde der scharfe Kritiker des Universitätsgesetzes 2002 sogar Mitglied des Senats. Auch in den stets prall gefüllten Hörsälen verkniff er sich spitzzüngige politische Seitenhiebe nicht immer.

Relevante Wissenschaft
Von seinen Studenten wurde Schmidt-Dengler aber vor allem für die gleichen Eigenschaften geschätzt, die ihn auch in der Öffentlichkeit so beliebt machten: die Fähigkeit, seine wissenschaftliche Arbeit als aktuell relevant zu vermitteln, sei es in der Beschäftigung mit österreichischer Gegenwartsliteratur, sei es in der Wirkungsforschung der Antike.

TV- und Radio-Hinweis
In memoriam Wendelin Schmidt-Dengler ändert der ORF sein Programm: Zum Ableben des Germanisten zeigt der "Kulturmontag" am Montag in ORF 2 ein Interview, das "lebens.art" mit dem zum Wissenschaftler des Jahres 2007 ernannten Germanisten und Literaturwissenschaftler führte. Außerdem berichtet die aktuelle Kultur in den Ausgaben der "ZIB".

Am Dienstag ist im Ö1-"Hörspielstudio" (21.00 Uhr) eine Wiederholung einer Ausgabe von "Literarische Außenseiter" zu hören, in der Wendelin Schmidt-Dengler über Thomas Bernhard spricht. Im Rahmen der Ö1-Reihe "Im Gespräch" wird am Donnerstag (21.00 Uhr) eine Sendung aus dem Jahr 2004 wiederholt, in der Michael Kerbler mit dem Literaturwissenschaftler Wendelin Schmidt-Dengler spricht.

Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die am Tag nach der Erstausstrahlung der Sendung den Literaturnobelpreis erhielt.

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