Puritaner, Soldat, Politiker, Diktator

Vor 350 Jahren starb Oliver Cromwell.
Auch 350 Jahre nach seinem Tod zählt Oliver Cromwell zu den umstrittensten Persönlichkeiten der englischen Geschichte.

Anhänger des Königshauses sahen und sehen in ihm einen religiösen Fanatiker und rücksichtslosen Tyrannen. Für andere war er trotz seiner einer Militärdiktatur ähnelnden Zeit als Lordprotektor Englands ein großer Staatsmann, der entscheidend zum Aufstieg zur Großmacht beitrug.

Viele Widersprüche
Als Anführer des britischen Parlamentsheers und durch einen spektakulären Schauprozess gegen König Karl I. sorgte er für ein vorläufiges Ende der Monarchie. Als neues Staatsoberhaupt nahm er dann selbst jene absolutistischen Tendenzen an, gegen die er zuvor gekämpft hatte.

Vier Jahrhunderte Abstand haben die vielen Widersprüche, vor die Cromwell die Historiker stellt, nicht ausgeräumt. Vor wenigen Jahren erst wurde er in einer BBC-Umfrage auf die Liste der zehn beliebtesten Briten aller Zeiten gewählt; im benachbarten Irland hingegen ist er wegen seines gnadenlosen Vorgehens gegen Katholiken für viele eine Hassfigur.

Posthum hingerichtet
Zwei Hinrichtungen umrahmen die Zeit des englischen Interregnums, als die Monarchie für einige Jahre auf Eis gelegt wurde: Am 30. Jänner 1649 wurde Karl I. vor dem Palast von Whitehall in London enthauptet. Cromwell unterschrieb auf dem Todesurteil an dritter Stelle.

Die zweite Hinrichtung war eine posthume: Cromwell verstarb am 3. September 1658 vermutlich an Malaria. Etwa zwei Jahre später entwendeten fanatische Royalisten seinen Leichnam aus der Westminster Abbey, schleiften ihn durch die Straßen von London und hängten ihn in Tyburn öffentlich auf.

Parlament abgeschafft
Der dem niederen Landadel entstammende Cromwell, ein überzeugter Puritaner, war ursprünglich einfacher Abgeordneter im Unterhaus, doch kurz nach seiner Wahl schaltete der nach absoluter Herrschaft strebende Stuart-König Karl I. erstmals das Parlament aus.

Finanznöte zwangen Karl dazu, 1640 das Parlament wieder einzuberufen. Zum Eklat kam es, als er im Unterhaus die Opposition verhaften lassen wollte. Der versuchte Staatsstreich löste 1642 einen offenen Bürgerkrieg zwischen den Royalisten und den Anhängern des Parlaments aus.

Cromwells Elitetruppe
Hier kam Cromwell ins Spiel: Er stellte ein schlagkräftiges Parlamentsheer zusammen. Zu dieser New Model Army kamen die Ironsides, eine Elite-Reitertruppe, in der Cromwell mit eiserner Strenge für Disziplin sorgte und ohne die seine Siege nicht möglich gewesen wären. Auf Fluchen, Trunksucht und Plünderungen standen härteste Strafen.

Am Ende des zweiten Bürgerkriegs - Karl I. war mit Hilfe verbündeter schottischer Kämpfer auf englisches Territorium eingedrungen - wurde der König 1648 verhaftet. Cromwell und sein Schwiegersohn Henry Ireton starteten eine Kampagne zur Bestrafung des Königs und zum Sturz der Monarchie.

Zum Tode verurteilt
Das von Cromwell eingesetzte Rumpfparlament inszenierte ein Revolutionstribunal gegen Karl. Das Tribunal, dessen Rechtmäßigkeit der König bis zuletzt anzweifelte, verurteilte ihn zum Tode.

Damit war für Cromwell der Weg frei: Unter Vermeidung der Bezeichnung "Republik" wurde England 1649 zum Commonwealth erklärt, das in der Verfassung von 1653 auch Schottland und Irland einbezog. Zuvor hatte er dort royalistische Aufstände mit besonderer Brutalität niedergeschlagen.

An die Spitze des Staates war anstelle des Königs ein Staatsrat mit Cromwell als erstem Vorsitzendem getreten, und die neue Verfassung sah für ihn den Titel "Lordprotektor" vor.

Weg vom strengen Puritanismus
Die restlichen fünf Jahre seines Lebens standen im Zeichen ständiger Auseinandersetzungen mit dem Parlament, dessen Zustimmung zu seiner Politik Cromwell mehrfach durch Auflösung oder "Säuberungen" von Abgeordneten erzwingen wollte. Indem er sich auf die Armee stützte, herrschte im Commonwealth zeitweise eine reine Militärdiktatur.

Andererseits kam Cromwell gerade in seinen letzten Lebensjahren vom zuvor gepflegten strengen Puritanismus ab. Er trat bedingt für Religions- und Gewissensfreiheit ein und bemühte sich um das Rechts- und Erziehungswesen.

Siege gegen Holland und Spanien
Die größten Erfolge errang Cromwell in der Außenpolitik: Mit der 1649 geschaffenen ozeantüchtigen Flotte errang England 1652 bis 1654 Seesiege gegen die Holländer und vor allem gegen die Spanier, denen 1655 Jamaika abgenommen wurde, was den Aufstieg Englands zur führenden Seemacht einleitete.

Cromwells Herrschaft war so auf seine Person zugeschnitten, dass sie mit seinem Tod schnell zusammenbrach. Sein Sohn Richard, der den laut Verfassung vererbbaren Titel "Lordprotektor" annahm, erwies sich als zu schwach. 1660 bestieg der geflohene Sohn Karls I. als Karl II. den Thron.

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