Darf Yang Peiyi doch noch singen?

"Der lächelnde Engel" und das Mädchen mit dem Milchgebiss.
Für viele Chinesen ist es der Höhepunkt der bombastischen Olympia-Eröffnungszeremonie gewesen: Ein süßes kleines Mädchen sang mit perfekter Stimme vor einem Milliardenpublikum das "Lied auf das Vaterland", während Soldaten die chinesische Flagge hissten. Selbst hartnäckigen Kritikern der Propaganda-Show im Westen ging das Herz über.

©Bild: AP/Zhou Liang
©Bild: AP/Zhou Liang
Nachdem die Veranstalter am Dienstag zugeben mussten, dass es sich dabei um Playback handelte und die Stimme in Wahrheit einer Siebenjährigen gehörte, die man in letzter Sekunde durch ein Double auswechselte, kommen sie nun immer mehr in Erklärungsnotstand.

Auftritt bei der Abschlussfeier?
Am Mittwoch sind die Rufe nach Gerechtigkeit für Yang Peiyi - so heißt die echte Sängerin - immer lauter geworden. Denn das Double, die neunjährige Lin Miaoke, wurde in China quasi über Nacht zum Superstar und firmiert nur noch unter dem Spitznamen "Der lächelnde Engel".

Kritiker des Austauschs, den offenbar ein chinesischer Regierungsbeamter nach der letzten Generalprobe durchsetzte, fordern nun, dass Peiyi bei der Abschlussshow auftreten sollte. Doch die Organisatoren und das IOC geben sich uneinsichtig.

"Sie ist nicht hässlich"
Dabei schloss sich inzwischen selbst Miaokes Vater der Kritik an. "Yang Peiyis Aussehen ist okay. Meiner Meinung nach ist sie nicht hässlich. Sie sieht süß aus", sagte Lin der Nachrichtenagentur AP.

Dass der Vater überhaupt für eine Stellungnahme zu erreichen war, ist ein kleines Wunder: Die Familien der beiden Mädchen, ihre Agenten und die Olympia-Organisatoren haben eine Nachrichtensperre zu dem Thema verhängt.

Von Peiyi gibt es nur Fotos auf dem Blog eines ihrer Betreuer. Sie zeigen ein durchaus hübsches Mädchen, das offenbar gerade sein Milchgebiss verliert und deshalb etwas unförmige Zähne zu haben scheint.

"Wunden fürs Leben"
Auf Pekings Straßen und in Internet-Foren wird seit der Enthüllung ganz offen über die Affäre gesprochen. Es sei falsch gewesen, die junge Sängerin nicht selbst auftreten zu lassen, meinen die meisten.

"Ich halte die Entscheidung für falsch. Es sind Kinder, und das kann Wunden fürs Leben bei ihnen hinterlassen", zitiert die AP einen Pekinger Angestellten. "Das Mädchen mit der Stimme sollte die Chance haben, bei der Abschlusszeremonie aufzutreten. So könnte sie sich vor der Weltöffentlichkeit rehabilitieren."

"So ist das nun einmal"
Die Olympia-Veranstalter verteidigen die Auswechslung: "Man muss sichergehen, dass die Darsteller und der Song auf dem höchsten Level sind", sagte IOC-Geschäftsführer Gilbert Felli am Mittwoch vor Journalisten.

Die Entscheidung sei von den Produzenten der Show getroffen worden und müsse "im Kontext der Eröffnungszeremonie und der Komplexität der 15.000 Künstler" betrachtet werden. Auf die Frage, wie Peiyis Eltern die Entscheidung der Siebenjährigen beibringen sollten, antwortete Felli: "So ist das nun einmal - im Sport und im Leben."

Auch der Vizepräsident des Pekinger Organisationskomitees, Wang Wei, zeigte sich von der Kritik am Vorgehen der Veranstalter unbeeindruckt. "Ich sehe nichts Falsches dran", sagte er.

"Es ging um nationales Interesse"
Die Enthüllung geht auf das Konto des musikalischen Leiters der Eröffnung, Chen Qigang. Er sagte im staatlichen Fernsehen, Peiyi sei wegen ihrer "äußerlichen Erscheinung" ausgetauscht worden: "Es ging dabei um nationales Interesse."

Chen ist französischer Staatsbürger. Er habe sich verpflichtet gefühlt, mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit zu gehen, sagte er.

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