Konfliktherde, wohin das Auge blickt

Rohstoffreichtum, ethnische Konflikte und das Erbe der Sowjetunion - eine explosive Mischung.
Das Aufflammen des Konflikts um Südossetien und Abchasien hat das Pulverfass Kaukasus mit einem Schlag wieder in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt. Die Vielvölkerregion mit ihren Konflikten, die zum Teil noch auf die Ära der Sowjetunion zurückgehen, hat eine Sprengkraft, die weit über ihre Grenzen hinausreichen könnte.

©Bild: APA
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Die Kaukasusregion, in der rund 22 Millionen Menschen christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit leben, besteht aus vier selbstständigen Staaten mit mehreren Autonomen Gebieten. Der Norden des Kaukasus gehört zu Russland mit den Republiken Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien, Nordossetien (Alanien) und Kabardino-Balkarien.

Reich an Rohstoffen
Außerdem gehören die autonomen Gebiete der Karatschaier und Tscherkessen sowie die Bezirke Stawropol und Krasnodar zum Kaukasus. Im Westen liegt Georgien mit den umstrittenen Gebieten Südossetien und Abchasien. Im Süden liegen Armenien und Aserbaidschan.

Wirtschaftlich ist der Kaukasus vor allem durch seine Erdölquellen in Tschetschenien (Raum Grosny), Erdgas- und Steinkohlevorkommen, Mineralwasserproduktion, Phosphate und Getreideanbau am Schwarzen Meer bedeutsam. Dazu kommen die verschiedenen Ölpipelines, die die Region durchziehen.

Schon immer "zwischen den Stühlen"
Der Kaukasus ist durch eine Vielzahl an Sprachen und Schriften (neben Kyrillisch auch Lateinisch, Arabisch und Georgisch) und eine noch größere Zahl an ethnischen Gruppen gekennzeichnet.

Geschichtlich lag er immer im Grenzgebiet zwischen verschiedenen Imperien (Osmanisches Reich, Persisches Reich und Russisches Reich), die ihren Einfluss hinterließen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet der ganze Raum unter die Herrschaft des zaristischen und nachfolgend des sowjetischen Imperiums.

Konfliktherd Tschetschenien
Ein Zentrum der vielfältigen Konflikte im Kaukasus bildet Tschetschenien. Es ist offiziell eine autonome Republik im Bestand der Russischen Föderation. Im November 1991 hatte es sich unter Präsident Dschochar Dudajew aus dem Republiksverbund mit Inguschetien gelöst und einseitig seine Unabhängigkeit erklärt.

Der erste Tschetschenien-Krieg von November 1994 bis August 1996 endete mit einer Niederlage der russischen Truppen. Nach kurzer Entspannung spitzte sich die Lage wieder zu, besonders als tschetschenische Kämpfer 1999 in das benachbarte Dagestan eindrangen.

Nach Bombenanschlägen in Moskau und anderen russischen Städten, die angeblich von tschetschenischen Terroristen begangen wurden, griff Russland Tschetschenien Anfang September 1999 erneut an. Heute gilt Tschetschenien unter der eisernen Faust Moskaus als "befriedet".

Seit Jahrzehnten unter Moskaus Knute
Das benachbarte Inguschetien bildete mit Tschetschenien bis November 1991 eine gemeinsame Republik. Nach der Abspaltung Tschetscheniens wurde es eine eigene autonome Republik innerhalb der Russischen Föderation.

Der Konflikt Moskaus mit den kaukasischen Ethnien geht jedoch viel weiter zurück. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg waren Tschetschenen und Inguschen wegen angeblicher Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht nach Sibirien und Kasachstan deportiert worden. Erst nach ihrer Rehabilitierung im Jahre 1957 konnten sie in den Nordkaukasus zurückkehren.

Geteiltes Land Ossetien
Die Teilung Ossetiens erfolgte 1810 nach der Angliederung Georgiens an Russland. Georgien und südliche ossetische Gebiete wurden unter die einheitliche Verwaltung Transkaukasiens gestellt, während nordossetische Gebiete an der nördlichen Seite des Kaukasus dem nordkaukasischen Militär unterstellt wurden. Diese Verwaltungsgliederung blieb auch in der Sowjetunion erhalten.

Zum Zeitpunkt des Zerfalls der Sowjetunion (1991) gehörte Nordossetien mit seiner Hauptstadt Ordschonikidse (heute Wladikawkas) als "Nordossetische Autonome Sozialistische Republik" zur Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR). Südossetien (Hauptstadt Zchinwali) zur Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik. 1989 kündigte Südossetien seine Loslösung von Georgien an.

Auch durch Religion entzweit
Auch in Nordossetien bestehen Spannungen. Zwischen muslimischen Inguschen und christlichen Osseten entzündete sich 1992 ein Streit um ein Gebiet, das heute zu Nordossetien gehört, aber früher von Inguschen besiedelt war.

Dagestan schließlich hat etwa zwei Millionen Einwohner, die sich aus über 100 Ethnien zusammensetzen. Ungleich seinen Nachbarn kam es nach Auflösung der Sowjetunion nicht zum Bürgerkrieg in Dagestan, wenngleich die ethnischen Spannungen, nicht zuletzt durch tschetschenische Flüchtlinge, groß sind.

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