Kafka, der Lebemann?

Der Prager Autor war unter anderem Abonnent der erotischen Zeitschrift "Der Amethyst".
Hat Franz Kafka in stillen Stunden nicht nur surreale Geschichten über Landvermesser und Menschenkäfer erfunden, sondern sich auch gern an unverblümter Pornografie mit Tieren und lesbischen jungen Mädchen ergötzt?

Das behauptet jetzt jedenfalls ein britischer Autor und Literaturwissenschaftler, der bei Recherchen in britischen Bibliotheken erstmals Kafkas geheime Pornosammlung gefunden haben will.

Neues Buch soll mit Klischees aufräumen
"Der echte Franz Kafka war kein von Ängsten erfüllter Paranoider, sondern ein gepflegter Lebemann, der sich in Bordellen herumtrieb, mit armen, aber hübschen Frauen Sex hatte und exklusive Pornografie abonnierte", schreibt James Hawes.

Der in Großbritannien als Kafka-Experte ebenso wie als Satiriker bekannte Hawes verarbeitet seine Erkenntnisse in dem demnächst erscheinenden Buch "Excavating Kafka" (etwa: "Kafka freilegen").

Die in lockerem Stil verfasste Biografie will mit zahlreichen Klischees über Kafka aufräumen - etwa dass seine Arbeiten von seinen Zeitgenossen nicht wahrgenommen worden seien und dass er ein einsames Genie gewesen sei. Außerdem werden - laut Hawes erstmals - Auszüge aus den pornografischen Publikationen abgedruckt, die Kafka konsumierte.

"Ziemlich düster"
Kafka war beispielsweise Abonnent der erotischen Zeitschrift "Der Amethyst" - deren Herausgeber Franz Blei später auch Kafka-Prosa verlegte. Hauptsächlich handelte es sich dabei nicht um Fotografien, sondern um Zeichnungen.

Auch heute sei das Material noch durchaus schockierend, sagte Hawes jüngst der Londoner "Times": "Das sind keine ungezogenen Schnappschüsse vom Strand. Es handelt sich ohne Zweifel um Porno, klar und simpel. Einiges davon ist ziemlich düster: Tiere, die Fellatio praktizieren, und Frauen, die miteinander herummachen."

Kein Heiliger
Hawes spricht von "Wänden, die durch Generationen von Informationshütern wie Gelehrten, Biografen und Fremdenführern aufgebaut wurden". Er wolle diese Wände niederreißen, den "echten Kafka" zeigen und ein für alle Mal Schluss machen mit dem sauberen Image des "mitteleuropäischen Nostradamus mit einem typografisch unwiderstehlichen Namen".

Kafka sei kein Heiliger der Literaturgeschichte, sondern ein Mensch mit Fehlern und Ecken und Kanten. Die Enthüllungen seien auch nicht als Anpatzen eines Idols gedacht, sondern sollten den Prager Autor greifbarer und zugänglicher machen, so Hawes.

Gut verschlossen
Der Autor behauptet, in der Londoner British und der Oxforder Bodleian Library zufällig auf Exemplare der pornografischen Publikationen gestoßen zu sein und sie als Kafka-Lektüre identifiziert zu haben.

Kafka lagerte seine pornografische Sammlung demnach in einer verschließbaren Kiste im Haus seiner Eltern, zu der nur er den Schlüssel hatte. Außerdem hinterließ er laut Hawes Anweisungen, den Inhalt nach seinem Tod zu zerstören.

Erotische Untertöne
Offen bleibt, ob die Entdeckungen des Briten tatsächlich zu einer Neubewertung von Kafkas Werk führen werden. Immerhin sind die erotischen, manchmal sadomasochistischen Untertöne in Texten wie der "Strafkolonie" und der "Verwandlung" offensichtlich. Auch seine Vorliebe für erotische Lektüre - etwa Leopold von Sacher-Masoch - ist in der Fachwelt bestens bekannt.

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