Nach dem früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der im März 2006 vor dem Ende des Prozesses in seiner Zelle starb, ist der in der Nacht auf Mittwoch an das Tribunal überstellte ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic der bedeutendste Angeklagte.
Völkermord, Kriegsverbrechen
Das Haager Tribunal ist zuständig für die Ahndung von Verbrechen während der Kriege in Kroatien (1991 - 1995), Bosnien (1992 - 1995), im Kosovo (1998/1999) und in Mazedonien (2001). Die Richter urteilen über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verletzungen des Kriegsvölkerrechts und der Genfer Konventionen für Kriegsgefangene.
Dabei können sie lebenslange Haftstrafen verhängen, nicht jedoch die Todesstrafe.
Suche nach Mladic geht weiter
Nach der Festnahme Karadzics fahndet das UNO-Tribunal nun noch nach zwei mutmaßlichen Kriegsverbrechern: Karadzics früherer rechter Hand Ratko Mladic und dem früheren Serbenführer in Kroatien, Goran Hadzic.
Bisher zweimal 40 Jahre Haft
Das Haager UNO-Tribunal hat bisher 56 Angeklagte verurteilt. Die bisherigen Höchststrafen (jeweils 40 Jahre Haft) gab es für die beiden bosnischen Serben Milomir Stakic und Goran Jelisic wegen Gräueltaten und Morden in den berüchtigten bosnisch-serbischen Gefangenenlagern.
Der frühere bosnisch-serbische General Radislav Krstic wurde wegen Begünstigung und Unterstützung von Völkermord in Srebrenica zu 35 Jahren Haft verurteilt. Die prominenteste Verurteilte ist die frühere bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic (elf Jahre Haft).
Opfer einer Namensverwechslung
Freigesprochen wurden zehn Angeklagte, darunter der frühere bosniakische General Naser Oric. 16 Angeklagte starben, ehe ein Urteil gegen sie gesprochen wurde. 22 Verurteilte haben ihre Haftstrafe bereits verbüßt, darunter der frühere bosnisch-kroatische General Tihomir Blaskic.
Zwei weitere starben nach dem Urteil in Haft wie der frühere kroatische Serbenführer Milan Babic, der im Haager Tribunalsgefängnis Selbstmord verübte. Bei 20 Personen wurden die Anklagen zurückgezogen, etwa im Fall des bosnischen Serben Dragan Kondic, der Opfer einer Namensverwechslung wurde.
Verfahren gegen Seselj und Gotovina
Gegen 46 Angeklagte laufen die Verfahren noch, darunter befinden sich die meisten "Schwergewichte" wie der serbische Ex-Vizepremier Vojislav Seselj, der frühere serbische Präsident Milan Milutinovic, der kroatische Ex-General Ante Gotovina und die jugoslawischen Ex-Armeechefs Dragoljub Ojdanic und Nebojsa Pavkovic.
In erster Instanz zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde der bosnisch-serbische Ex-Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik, während der frühere kosovo-albanische Rebellenführer und Ex-Kosovo-Premier Ramush Haradinaj ebenfalls in erster Instanz freigesprochen wurde.
Kriegsverbrecher in Österreich in Haft
Die Verurteilten verbüßen ihre Haftstrafen in UNO-Mitgliedsstaaten, die sich freiwillig zur Übernahme der Häftlinge bereiterklären. So beherbergt Österreich mit Dario Kordic, Dusko Sikirica, Mitar Vasiljevic und Zoran Zigic vier vom UNO-Tribunal verurteilte Kriegsverbrecher.
Bei 13 Angeklagten überließ das UNO-Tribunal auch den Prozess nationalen Gerichten in Ex-Jugoslawien.
Del-Ponte-Nachfolger Brammertz
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal ist ein Ad-hoc-Gerichtshof und nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, der seit 2002 als ständiges Gericht Kriegsverbrechen ahndet.
Chefankläger des Tribunals ist der Belgier Serge Brammertz, der Anfang des Jahres die Schweizerin Carla del Ponte ablöste. Als Vorsitzender Richter amtiert seit 2005 der Italiener Fausto Pocar.
Das Haager Tribunal verfügt heuer über ein Budget von rund 300 Millionen Dollar (192 Mio. Euro) und beschäftigt knapp 1.200 Angestellte.
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