Spektakuläre neue Exponate

In London ist erstmals eine überdimensionale Hadrian-Büste zu sehen, die erst vor kurzem in der Türkei entdeckt wurde.
Er war staatsmännischer Stratege, unbarmherziger Kriegsherr, trauernder Liebhaber und sensibler Schöngeist: Eine neue Ausstellung im Britischen Museum in London will jetzt das Leben und Wirken des römischen Kaisers Hadrian in ein neues Licht rücken.

Bei der bisher umfassendsten Hadrian-Ausstellung soll nicht nur Hadrians "unbarmherziges" militärisches Regime gezeigt werden, sondern auch die widersprüchliche Persönlichkeit des Kaisers aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. "Diese Ausstellung wird seinen Charakter, sein Leben, seine Liebe und sein Erbe neu bewerten", hofft der deutsche Kurator Thorsten Opper.

Zu den Highlights der Schau gehört eine überdimensionale Büste des römischen Kaisers, die vor etwa einem Jahr in der Türkei entdeckt wurde und nun erstmals öffentlich zu sehen ist.

Hadrians Liebhaber
Ein großes Thema ist naturgemäß auch Hadrians Liebesleben. Zu sehen ist unter anderem sowohl eine Skulptur von Hadrians Frau Sabina als auch von seinem griechischen Liebhaber Antinoos. "Wir wissen, dass andere römische Herrscher Affären mit Burschen und jungen Männern hatten, aber wir wissen nicht, wer sie waren. In diesem Fall wissen wir es", so Museumssprecherin Hannah Boulton.

Als Antinoos im Oktober 130 unter ungeklärten Umständen im Nil ertrank, trauerte Hadrian in aller Öffentlichkeit und mit allem erdenklichen Pomp. An der Unglücksstelle an der Ostseite des Nils ließ er die Stadt Antinoupolis errichten, und er erklärte seinen jungen Liebhaber zum Gott.

Alles beim Alten
Die Ausstellungsmacher spielen allerdings auch den "zeitlosen" Aspekt der Ära Hadrian hoch. Immerhin stand der Kaiser einer globalen Supermacht vor, machte sich im Volk mit Steuersenkungen beliebt und hatte mit Aufständischen im okkupierten Irak zu kämpfen - wenig Veränderung also in den letzten zwei Jahrtausenden, sagt Opper.

Hadrian im Spiegel der Zeit
Gleichzeitig relativiert er diese Darstellung aber auch: Jede Generation erfinde das Bild von historischen Figuren neu. Im viktorianischen Zeitalter, auf dem Höhepunkt des britischen Imperialismus, habe man Hadrian wegen seines Rückzugs aus Mesopotamien als schwachen Führer angesehen.

Nach den Gräueln der Weltkriege habe man ihn hingegen als Friedensfürsten betrachtet und so erneut den aktuellen Zeitgeist in ihn hineinprojiziert. "Unser Bild von Hadrian verändert sich abhängig von unseren eigenen Erfahrungen ständig", so Opper.

Ein Mann der Widersprüche
Ob Hadrian der mächtigste Kaiser war, weil er der größten Ausprägung des Römischen Reichs vorstand, lässt sich nur spekulativ beantworten. Dass er der vielseitigste und widersprüchlichste war, liegt schon eher auf der Hand.

Wegen seiner Faszination für die griechische Kultur wurde ihm schon als Jugendlicher der Spitzname Graeculus ("kleiner Grieche") verliehen. Er galt als kulturell aufgeschlossen - so gab er architektonische Meisterwerke wie das Pantheon in Rom und seine Villa in Tivoli in Auftrag - und bereiste so viele römische Provinzen wie kein Kaiser vor ihm. Gleichzeitig schlug er Aufstände brutal nieder.

Sicherheit statt Ausweitung
Diese scheinbar paradoxe Mischung - Schöngeist und Stratege, leidenschaftlicher Liebhaber und gnadenloser Feldherr - fasziniert bis heute.

Da wäre einerseits Hadrians Politik, sein unübersichtlich werdendes Reich zu konsolidieren, keine weiteren Eroberungen zu planen und stattdessen die bestehenden Grenzen zu festigen. Tage, vielleicht Stunden nachdem ihm sein Vorgänger und Mentor Trajan am Sterbebett die Macht übergeben hatte, ordnete er den Abzug Roms aus Mesopotamien, dem heutigen Irak an, wo Aufständische die Stabilität gefährdeten.

An der nördlichen Reichsgrenze sorgte er mit dem Hadrianswall zwischen England und Schottland und ähnlichen Befestigungen an Rhein und Donau für Sicherheit. Das Britische Museum zeigt dazu Alltagsdokumente, etwa Notizen von den Soldaten, die am Hadrianswall stationiert waren.

Hunderttausende Juden getötet
Ganz ein anderes Bild zeichnen hingegen die Gegenstände, die Aufständische in Judäa in den Höhlen hinterließen, in denen sie sich zwischen 132 und 135 nach Christus vor Hadrians unbarmherzig agierenden Truppen versteckten. In London werden perfekt erhaltene Messer, Schmuckdosen, Handspiegel und Schlüssel gezeigt.

"Sie sehen aus, als wären sie erst gestern benutzt worden. Aber sie gehörten Menschen, die ausgelöscht worden sind", so Opper. "Sie zeigen die andere Seite Hadrians und der römischen Macht: brutaler Imperialismus statt zivilisatorischer Stärke."

580.000 Juden sollen bei der Zerschlagung des Aufstands durch Rom umgekommen sein, berichtet der Geschichtsschreiber Cassius Dio. Die Provinz Judäa ließ Hadrian in Syria Palaestina umbenennen.

180 Exponate aus elf Ländern
Die Schau ist bis zum 26. Oktober im ehemaligen Lesesaal des Britischen Museums zu sehen. Die Raumwahl hat ihren Grund: Die spektakuläre Kuppel mit einem Durchmesser von über 40 Metern, unter der einst Karl Marx sein "Kapital" verfasste, ist vom Pantheon in Rom inspiriert.

Über 180 Ausstellungsstücke von fast 30 Leihgebern aus elf Ländern trugen die Organisatoren zusammen.

Neuer Blick auf historische Herrscher
Die Hadrian-Schau gehört zu einer Reihe von Ausstellungen, mit denen das Britische Museum historische Herrscherpersönlichkeiten neu beleuchtet. Im Vorjahr befasste sich das Museum mit Qin Shihuangdi, Chinas erstem Kaiser, und demnächst stehen Ausstellungen über den persischen Schah Abbas I. und den Aztekenkönig Montezuma auf dem Programm.

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