Grund dafür sind mehrere Neuerscheinungen, ein gerade ausgeschriebener 100.000-Dollar-Preis für die "Lösung der drängendsten Probleme der Menschheit", vor allem aber eine umfassende Ausstellung im Whitney Museum of American Art, die Fullers utopisch-bizarre Ideen in einen neuen Kontext stellen will.
Von praktisch bis bizarr
Fullers wichtigste Entwicklung, die geodätische Kuppel, wird noch heute eingesetzt, etwa wenn es um Notunterkünfte nach Katastrophen geht. Er entwickelte eine Weltkarte, die die Verzerrung durch die Mercator-Projektion - die Polargebiete erscheinen dabei enorm vergrößert - wieder ausglich, hatte mitten in der Depression der 30er die Idee zu einem Auto mit minimalem Spritverbrauch und wollte eine riesige Glaskuppel über Manhattan stülpen.
Trotz seiner ausufernden Fantasie muss R. Buckminster Fuller heute wohl als Vordenker gelten: Er träumte von einer symbiotischen Verbindung von Natur und Technologie, von der schonenden Nutzung von Ressourcen und von einer gleichmäßigen Verteilung für alle Bewohner des "Raumschiffs Erde" - im übrigen ein Begriff, den ebenfalls Fuller geprägt hat. "Bis 1985" könne all das erledigt werden, sagte er in einem berühmt gewordenen TV-Auftritt.
Umfunktionierte Militärtechnologie
"Buckminster Fuller: Starting With the Universe", die Ausstellung im Whitney Museum, bedient einerseits die nostalgische Sehnsucht nach diesen Space-Age-Träumen, betont andererseits aber auch, wie relevant Fullers Verständnis von Technologie und Umwelt heute sein kann.
Fuller, der im beschaulichen Maine aufwuchs, war im Ersten Weltkrieg Armeefunker. Aus dieser Zeit stammt eine seiner zentralen Ideen: für Kriegszwecke entwickelte Technologie für zivile Zwecke zu verwenden.
"Fliegende Untertasse" zum Wohnen
Schon die ersten Arbeiten in der Schau, sie stammen aus den 20ern, sind dieser Idee verpflichtet. Mehrere Skizzen zeigen die erste Version des Wohnprojekts 4D Lightful Towers; es handelt sich um leichtgewichtige Unterkünfte für Flugzeugtechniker, die an Zeppeline angedockt werden und so höchst mobil sein sollten.
Die Weiterentwicklung davon war das Dymaxion House, ein UFO-artiges hexagonales Bauwerk aus einer neuartigen Aluminiumlegierung, das sich zerlegen, verpacken und transportieren ließ. Auf knapp 100 Quadratmetern bot es rund um eine zentrale Stahlspindel alle Funktionen eines Einfamilienhauses - amerikanische Vorstadtidylle, kombiniert mit nomadenhafter Mobilität.
Nur zwei Prototypen
Das Kunstwort "Dymaxion", möglicherweise eine Abkürzung für "dynamic maximum tension", ließ sich Fuller 1928 von einem Werbeexperten erfinden, weil er auf der Suche nach einem Namen für die Vermarktung des Hauses war. Vom Dymaxion House wurden allerdings nur zwei Prototypen gebaut. Mangels Financiers wurde es nie industriell gefertigt. Immerhin gefiel Fuller der Produktname so sehr, dass er ihn für eine Reihe weiterer Projekte recycelte.
Das Dymaxion House zeugt von Fullers pragmatisch-technologischem Zugang an die Aufgabenstellung, sein Space-Age-Design ist nur ein Nebeneffekt. Radikale Ästhetik war nicht Fullers erstes Anliegen, und das machte ihn zu einem Außenseiter unter anderen einflussreichen Architekten seiner Zeit.
Berühmte "Domes"
Die Whitney-Kuratoren bringen die Projekte des Amerikaners auch in engen Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen während des Kalten Krieges. Wollte Fuller in den 30ern noch das Dymaxion House sibirischen Arbeitern zur Verfügung stellen, arbeitete er nach dem Zweiten Weltkrieg für uramerikanische Auftraggeber wie Ford und die US-Marine.
Seine Nachkriegsutopien wurden oft als Propaganda zweckentfremdet. Fullers geodätische "Domes", sphärische Kuppeln mit einer Substruktur aus Dreiecken,
tauchten nicht nur in Science-Fiction-Filmen auf, sondern dienten auch als Militärbunker und als US-Messepavillons, etwa bei Weltausstellungen in Moskau und Montreal.
Fullers Ideen wurden mit der Zeit immer noch utopischer: Er wollte eine riesige Glaskuppel über Manhattan legen und darunter eine grüne Oase anlegen. In ähnlich konstruierten, im Meer schwimmenden Blasen sollten Millionen Menschen abseits der überfüllten Metropolen ein neues Zuhause finden.
Fuller twittert
Die breitere Öffentlichkeit sah in ihm zu Lebzeiten wohl eher einen Spinner als einen Visionär. Angesichts seiner markigen, oft gleichzeitig naiv und weitblickend wirkenden Sager - "Jede Erfahrung beginnt und endet - ergo ist sie endlich", "Gott ist ein Verb" - kein Wunder.
Die Whitney-Ausstellung verarbeitet den umfangreichen Zitatenpool jetzt Web-2.0-tauglich: Parallel zur Ausstellung werden Fullers bizarrste Sager beim Kurznachrichtendienst Twitter gepostet.
Links:
- Richard Buckminster Fuller (Wikipedia)
- Whitney Museum