Insel bietet Schutz vor Klima

Die schwimmenden "Seerosenblätter" sollen zur Zuflucht für Opfer des Klimawandels werden.
Ein gewisses Maß an Pragmatik muss man dem belgischen Architekten Vincent Callebaut zugestehen: Während andere Luxusinseln für Millionäre planen, denkt Callebaut an den Klimawandel - und an all jene, die von den Folgen betroffen sind.

Er entwarf riesengroße schwimmende Städte namens Lilypads - zu Deutsch etwa "Seerosenblätter" -, die in ihrer Form mehr an überdimensionale Gartenstühle denn an Blätter erinnern.

Mehr als 50.000 Menschen, die durch Fluten oder Überschwemmungen ihre Heimat verloren haben, sollen auf jedem dieser Lilypads Platz finden und dort auf eine paradiesische Umwelt fern von Klimakatastrophen treffen.

Naturidylle und Solarzellen
Grün bewachsene Berghänge sollen den Inselbewohnern Abwechslung vom ewig blauen Meer bieten. Der künstliche See im Herzen der Lilypads dient nicht nur der Freude der Bewohner, sondern soll auch Regenwasser zum Trinken sammeln und - ganz autonom - klären.

Ebenfalls autonom verläuft laut Callebaut auch die Energiebeschaffung in der grünen Stadt. Solarzellen, Windturbinen und ein eigenes Wasserkraftwerk sollen mehr Energie als nötig produzieren, die Schadstoffemission soll durch Recycling auf null reduziert werden.

Kein Platz für Autos
Nicht nur Klimawandel-, sondern auch Ölpreis-Flüchtlinge werden ihre Freude mit der Insel haben, denn Straßen und Autos sieht Callebaut in seiner Amphibienstadt nicht vor.
Wer zielgerichtet von A nach B will, ist auf der Lilypad-Insel ohnehin falsch: Je nach Meeresströmung und Wetter sollen die einzelnen Inseln gemächlich um die Welt driften.

Callebaut ist für seine utopischen Ideen bekannt. Dementsprechend bleiben auch Preis und Machbarkeit der schwimmenden Idylle im Dunklen.

"Nachhaltige Lösung"
Die Notwendigkeit der Amphibienstädte begründet der belgische Visionär mit der wachsenden Gefahr von Überflutungen. Seine Lilypads seien eine "nachhaltige Lösung für das Problem des ständig steigenden Meeresspiegels".

Nach einem Bericht des Weltklimarats IPCC wird dieser nämlich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um neun bis 88 cm steigen. Einige Wissenschaftler gehen noch weiter und nennen die Schätzungen des IPCC "konservativ". Nach ihren Angaben ist ein Ansteigen um rund eineinhalb Meter mehr als realistisch.

Bedrohte Malediven
Für tief liegende Inseln wie die Malediven, deren höchster Punkt 2,4 Meter über dem Meeresspiegel liegt, würde eine solche Entwicklung desaströs ausfallen. Ganze Teile der Inseln würden verschwinden, und es käme zudem zu einer Zerstörung der Trinkwasserbestände und damit zu Engpässen in der Trinkwasserversorgung.

Auch Küstenregionen in Südasien, bevölkert von Millionen Menschen, wären zunehmend vom Verschwinden bedroht. Städte an der Atlantikküste wie New York wären ebenfalls besonders gefährdet.

Rauf auf die Insel
Die Errichtung von Dämmen und Alarmsystemen, wie es derzeit weltweit erfolgt, lehnt Callebaut kategorisch ab, für ihn gibt es nur eine Lösung: die Flucht auf die Lilypad-Insel.

Ob Flutopfer, die eben ihr gesamtes Hab und Gut an das Wasser verloren, tatsächlich den Rest ihres Lebens auf einer schwimmenden Insel verbringen wollen, bleibt dahingestellt - und ganz billig wird das Leben auf "Ecopolis", wie Callebaut seine Lilypads umweltbewusst nennt, wohl auch nicht sein.

Ganz neu ist die Idee der schwimmenden Inseln übrigens nicht, wie mehrere Architekturblogs herausgefunden haben wollen. Callebauts Lilypads erinnern stark an ein ähnliches Projekt des dänischen Architekturbüros PLOT/JDS. Diese wiederum sollen bereits das Konzept der schwimmenden Stadt einem Projekt aus den 80ern entliehen haben.

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