"Auch über Tag danach nachdenken"

Molterer: Ernstere Situation als zu Ostern. Gusenbauer: "Absurde Aufforderung".
Bundespräsident Heinz Fischer hat sich am Dienstag zur neuen EU-Linie der SPÖ distanziert gezeigt und sich gleichzeitig vehement gegen eine Neuwahl ausgesprochen.

Er habe die Regierung für vier Jahre angelobt, und diese Periode sei noch nicht abgelaufen. Zudem sei die bereits beschlossene Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre nicht auf einen Nenner zu bringen mit einer Verkürzung auf zwei Jahre.

Überdies stelle sich die Frage nach Alternativen. Politik müsse auch über den Tag danach nachdenken, so Fischer nach einer gut einstündigen Aussprache mit einer von Parteichef und Vizekanzler Wilhelm Molterer angeführten Delegation der ÖVP.

"Keinen Schritt gesetzt"
Fischer sagte, dass er selbst keinen Schritt für einen vorgezogenen Urnengang setzen werde. Es sei gute und bewährte Staatspraktik, dass der Nationalrat darüber selbst entscheide.

Ohnehin ist der Bundespräsident der Meinung, dass selbst in Europafragen die Möglichkeit besteht, in vielen Bereichen zusammenzufinden.

Rüge für SPÖ-Schwenk
Fischer distanzierte sich zudem klar vom EU-Schwenk der SPÖ: Der Brief Bundeskanzler Alfred Gusenbauers und des designierten Parteichefs Werner Faymann an den Herausgeber der "Kronen Zeitung" kann laut Fischer kein Anlass für eine Änderung der Grundlage der gemeinsamen Außenpolitik sein.

Bezüglich einer Volksabstimmung über EU-Verträge betonte Fischer, wenn keine Gesamtänderung der Verfassung vorliege, obliege es dem Parlament, ob ein Referendum durchgeführt werde.

"Einzig eine Rechtsfrage"
Bei der Diskussion über eine Volksabstimmung, wie sie nun bei der SPÖ für künftige EU-Verträge gefordert wird, ärgerte sich Fischer, dass das zu einer Glaubensfrage stilisiert werde. Dabei handle es sich hier einzig um eine Rechtsfrage.

Komme es zu einer Gesamtänderung der Verfassung, müsse das Volk befragt werden, bei einer Teiländerung müsse eine Mehrheit im Nationalrat die Vorgangsweise entscheiden.

Die Regierung habe beim Vertrag von Lissabon zu Recht festgehalten, dass in diesem Fall eine parlamentarische Ratifizierung ausreichend sei, und damit seines Erachtens korrekt gehandelt.

Molterer fordert rasches Einlenken
Molterer forderte nach der von ihm erbetenen Aussprache in der Hofburg die SPÖ erneut dazu auf, rasch wieder auf die frühere gemeinsame Europalinie einzuschwenken. Die SPÖ dürfe sich nicht aus der staatspolitischen Verantwortung davonstehlen, so Molterer.

Die derzeitige Situation beschrieb Molterer als ernster als während der letzten Regierungskrise um Ostern. Damals sei es um sachliche Differenzen gegangen, die man mittlerweile ausräumen habe können, nun gehe es aber um eine staatspolitische Frage.

Lob für Fischer
Nach Ansicht Molterers hatte Österreich nämlich in der EU bisher nur deshalb eine gewichtige Stimme, da man mit einer Stimme gesprochen habe. Zu dieser Klarheit müsse nun auch die SPÖ zurückkehren.

Er sei deshalb auch froh, dass der Bundespräsident in dem Gespräch diese europäische Perspektive außer Streit gestellt habe.

ÖVP-Forderung zurückgewiesen
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) wies am Nachmittag Molterers Aufforderung, rasch auf die frühere gemeinsame Europalinie einzuschwenken, zurück. "Ich weiß nicht, was diese absurde Aufforderung soll", sagte Gusenbauer bei einer Pressekonferenz der gesamten SPÖ-Regierungsriege.

Der Kanzler und sein Ministerteam freuten sich vielmehr angesichts der am Dienstag wirksam werdenden Maßnahmen für Autofahrer über einen "guten Tag für Österreich". Nicht anwesend war der designierte SPÖ-Chef Werner Faymann, der laut Gusenbauer krank im Bett lag.

EU-Skepsis als Auslöser
Gusenbauer sagte, die SPÖ trete für ein "soziales Europa" ein. Der Vertrag von Lissabon sei mit den Stimmen der Sozialdemokratie ratifiziert worden. Klar sei, dass beim nächsten großen Vertrag die Bevölkerung besser einbezogen werden müsse - so wie beim EU-Beitritt 1994.

Den Schwenk der SPÖ begründete er einmal mehr mit der EU-Skepsis der Österreicher: "Ein Europa ohne Europäer wird nicht funktionieren."

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