Der deutsche SDP-Europaabgeordnete und Chef des Verfassungsausschusses, Jo Leinen, nannte den Beschluss der SPÖ-Spitze gegenüber der APA "populistischen Aktionismus", der keine Probleme löse.
"Führt EU in die Sackgasse"
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten (SPE), Martin Schulz, ließ über seinen Sprecher ausrichten: "Das ist eine Initiative der SPÖ und nicht der Sozialdemokratischen Fraktion."
Leinen sagte, nationale Volksabstimmungen würden "die EU in die Sackgasse führen". "Bei 27 Mitgliedsstaaten ist eine Kaskade von nationalen Volksabstimmungen die Garantie für eine Blockade der europäischen Einigung."
Wer direkte Demokratie in der EU wolle, müsse sich für ein europaweites Referendum einsetzen. Es sei "ein falsches Versprechen, den Leuten zu sagen: Wir Österreicher können Europa aufhalten."
"Einer von mehreren Diskussionsbeiträgen"
Schulz' Sprecher Armin Machmer ergänzte, für den SPE-Fraktionschef gelte, dass Österreich den Lissabon-Vertrag ratifiziert und damit einen klaren Beschluss zum EU-Reformprozess gegeben hat. Sollte ein neuer Vertrag kommen, was derzeit nur eine Spekulation sei, wäre der Brief an die "Kronen Zeitung" "einer von mehreren Diskussionsbeiträgen".
Brok: Geschwächter Bundeskanzler
Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der das EU-Parlament lange bei der Vertragsreform vertrat, sagte: "Ich finde erstaunlich, dass ein Bundeskanzler in einer solchen Frage ein Commitment an eine Zeitung macht. Das ist ein innenpolitisches Manöver in schweren Zeiten, wo Europa als Schachbrett herhalten muss für einen geschwächten Bundeskanzler."
Brok glaubt aber nicht, dass die SPÖ-Ankündigung praktische Bedeutung habe: "Es kann keine Änderungen zum Lissabon-Vertrag geben, die zu neuen Ratifizierungen führen."
Liberale: Nicht hilfreich
Der Chef der Liberalen im Europaparlament, Graham Watson, ließ über einen Fraktionssprecher gegenüber der APA ausrichten, die SPÖ-Entscheidung sei "in diesem Moment nicht hilfreich, wo gerade jeder nach Lösungen nach dem irischen Referendum sucht".
Auch er betonte, dass Irland eher eine Erklärung von der EU erwarten könne, in der die Bedenken des Landes angesprochen werden, als dass der EU-Vertrag neuerlich ratifiziert werde. Die SPÖ würde sich für die künftige Entwicklung mit ihrer Ankündigung in "Geiselhaft" begeben.
Cohn-Bendit: "Das ist einfach null"
Der grüne Kovorsitzende Daniel Cohn-Bendit nannte Gusenbauers Ankündigung "substanzlos". "Das ist einfach null. Er weiß genau, dass es keine Änderungen am Lissabon-Vertrag geben wird." Dennoch sei er "sprachlos", so Cohn-Bendit: "Wenn Politiker anfangen, Politik mit dem Boulevard zu machen, sollen sie gleich abdanken."
Kein Kommentar aus Kommission
Eine Sprecherin der EU-Kommission wollte den SPÖ-Schwenk am Freitag nicht kommentieren. Man kenne nicht den vollen Text der Ankündigung, sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde in Brüssel.
Die Haltung des EU-Gipfels zum Lissabon-Vertrag sei aber bekannt, wonach die EU im Oktober wieder auf diese Frage zurückkomme. "Im Moment sind keine Vorschläge auf dem Tisch über irgendwelche Vertragsänderungen."
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