"Ich halte die Initiative der beiden Herren für einen Denkfehler", sagte Vranitzky am Freitag dem Ö1-Mittagsjournal.
"Einzelmeinungen von Faymann und Gusenbauer"
Vranitzky kann sich nicht vorstellen, "dass man mit der bloßen Ankündigung einer Volksabstimmung die Europaskepsis der Österreicher abschafft".
Gusenbauer und Faymann würden aber derzeit auch bloß "Einzelmeinungen" vertreten: "Ich habe nicht gehört oder gelesen, dass irgendwelche Parteibeschlüsse gefasst worden wären."
"Verschaukelt"
Jene SPÖ-Politiker, die stets die "bisher richtige Parteilinie" zur EU vertreten hätten, "müssten sich ja verschaukelt vorkommen, wenn sie über Nacht das Gegenteil vertreten müssen", so Vranitzky weiter.
Bundespräsident "desavouiert"
"Ganz abgesehen davon, dass der Bundespräsident, der sehr klar, sehr ruhig, sehr besonnen immer wieder den richtigen Standpunkt vertreten hat, von der Spitze der stimmenstärksten Partei im Parlament so ohne weiteres desavouiert werden kann - da kann man auch nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte Vranitzky.
"Kapitaler Missgriff"
Das "einzig Richtige" sei jedenfalls, "diesen Vorstoß zu revidieren und zurückzugehen zu einer EU-Politik, in der sich die österreichischen Staatsbürger wiederfinden".
Dass Gusenbauer und Faymann ihren Überraschungsschwenk per "Kronen Zeitung" verkündeten, ist nach Ansicht des Altkanzlers "vielleicht auch die Erklärung für die Doppelspitze, weil einem allein ein so kapitaler Missgriff gar nicht gelungen wäre".
Der Doppelspitze der SPÖ selbst sagt er keine große Zukunft voraus, sondern stuft sie eher als Über- oder auch Abgang ein - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Historischer Vergleich
Vranitzky zog in dem Ö1-Interview einen historischen Vergleich: Alfred Sinowatz habe ihm 1986 das Amt des Bundeskanzlers angetragen und sei noch zwei Jahre Parteivorsitzender geblieben.
Das sei aber keine Dauerlösung gewesen, sondern die Vorbereitung einer Beendigung und einer geordneten Übergabe. Es sei klar, dass ein Bundeskanzler viel stärker sei, wenn er zugleich Parteivorsitzender sei und die Meinungsbildung in der Partei lenken und beeinflussen könne. Das habe sich in der Zweiten Republik bisher immer bewährt.
Ob er denn der Großen Koalition noch eine Chance gebe? Vranitzkys Antwort: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."
Link: