Suchaktion mit tödlichem Ausgang

Der Absturz des Luftschiffs "Italia" und die dramatischen Folgen.
Es war das Zeitalter der "Polarhelden": In den Jahren rund um den Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert lieferten einander todesmutige Entdecker gefährliche Duelle um die Erforschung der Pole.

Roald Amundsen war der Prototyp dieser Abenteurer - ein rastloser Forscher, der sich der Wissenschaft ebenso verschrieben hatte wie der Selbstvermarktung. Vor 80 Jahren verschwand der Norweger unter mysteriösen Umständen bei der Suche nach einem am Nordpol verschollenen Kollegen. Vermutlich starb er am 18. Juni 1928, doch sein genaues Schicksal ist bis heute ungeklärt.

Amundsen vs. Scott
Amundsen war der Weltstar unter den Polarforschern, nachdem er am 14. Dezember 1911 nach einem Wettlauf mit dem Briten Robert Scott als erster Mensch den Südpol erreicht hatte. Schon dieses Duell der Expeditionen war ein Drama mit tödlichem Ausgang: Scott und seine Kameraden kamen beim Rückweg vom Südpol im März 1912 kurz vor einem rettenden Stützpunkt um.

Amundsen hingegen sorgte als Antarktis-Eroberer in den folgenden Jahren für Schlagzeilen, war mit Reiseberichten und Vorträgen erfolgreich und wurde mit klugen Investitionen zum Millionär.

Expeditionen in der Luft
Doch das Abenteuer ließ ihn nie los: Sieben Jahre nach der Südpol-Expedition versuchte er erfolglos, sich mit einem Boot durch die Arktis treiben zu lassen - und schließlich entdeckte er die Luftfahrt als neues Mittel für die Erforschung der Pole.

Dabei lernte er jenen Mann kennen, der im Zentrum seines späteren Verschwindens stand: den italienischen Flugzeugkonstrukteur Umberto Nobile.

Mit "Norge" über dem Nordpol
1926 überflogen Amundsen, Nobile und der amerikanische Abenteurer Lincoln Ellsworth als Erste den Nordpol in dem vom Italiener konstruierten Luftschiff "Norge".

Nobile wurde danach in Italien als Volksheld gefeiert und mit Ehrungen überschüttet. Einziger Missklang für den Ingenieur mit Generalsrang war die herbe Kritik Amundsens, der öffentlich das fehlende technische Können des Italieners anprangerte. Das trieb Nobile dazu an, eine zweite, ganz eigene Expedition zu wagen.

Der Absturz der "Italia"
Im Mai 1928 fegten eisige Winde über die Arktis, als sich die Tragödie ereignete: Nobiles neues Luftschiff "Italia", das am 24. Mai den Nordpol überflogen hatte und auf dem Rückweg nach Spitzbergen war, wurde durch die Sturmböen gegen das Packeis gedrückt. Innerhalb von nur wenigen Minuten stürzte das Schiff 500 Meter tief.

Durch den Aufprall wurden Nobile und neun Expeditionsmitglieder auf eine Eisscholle geschleudert. Weitere sechs Mann blieben an Bord und wurden mit der nun leichteren, wieder aufsteigenden "Italia" davongetragen. Sie wurden nie gefunden.

Funksprüche, die ein sowjetischer Amateurfunker aufgefangen hatte, lösten schnell einen Wettstreit unter verschiedenen Ländern um die Rettung der Besatzung aus. Insgesamt wurden 21 Flugzeuge aus sechs Nationen sowie der sowjetische Eisbrecher "Krassin" für die Suche eingesetzt.

Flug ohne Wiederkehr
Auch Amundsen meldete sich für die Suchaktion und brach mit fünf französischen Besatzungsmitgliedern und einem Flugzeug vom Typ Latham 47 auf. Nach dem Abflug von Troms in Richtung Nordpolarmeer verschwand die Maschine am 18. Juni 1928 spurlos.

Was genau geschah, ist bis heute ungeklärt. Womöglich stürzte das Flugzeug bei dichtem Nebel an Norwegens Nordküste in die Barentssee. Eine andere Theorie besagt, dass eine an eine Walfängerhütte auf der Bäreninsel angebrachte Holzplatte von dem Flugzeug stammen könnte; demnach könnte die Latham 47 nordwestlich der Bäreninsel abgestürzt sein.

Nobiles Rettung
Amundsens einstiger Kamerad und Rivale Nobile wurde hingegen am 23. Juni gerettet, das letzte von neun überlebenden Besatzungsmitgliedern der "Italia" wurde am 12. Juli in Sicherheit gebracht.

Nach seiner Rückkehr nach Italien wurde Nobile vorgeworfen, das Unglück durch ein falsches Manöver verursacht zu haben. Das faschistische Italien sah den Misserfolg als Schande für die Nation und entließ den einstigen Nationalhelden aus der Armee - ohne ihn auch nur einmal angehört zu haben. Bis heute kursieren Gerüchte, wonach der Polarforscher ein Opfer von Intrigen eifersüchtiger italienischer Luftwaffenoffiziere war.

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