Richter müssen Haare lassen

Kritiker über neue Roben gespalten.
Seit mehr als 300 Jahren tragen Richter und Anwälte in Großbritannien stolz prächtig gelockte Rosshaarperücken in den Gerichtssälen. Damit ist nun großteils Schluss.

An Zivil- und Familiengerichten in England und Wales werden sie ab Oktober ohne Perücken ihre Urteile fällen, lediglich bei Strafprozessen werden sie dann noch getragen. Immer wieder war in den vergangenen Jahrzehnten darüber gestritten worden, ob die Perücken noch zeitgemäß sind.

Perücken lächerlich?
Es war das erklärte Ziel von Lordoberrichter Lord Phillips of Worth Matravers, das er nun auch tatsächlich durchgesetzt hat. Vor seiner Ernennung bezeichnete er sogar die Perücken als lächerlich.

Tatsächlich hatten in den vergangenen Jahren immer mehr Würdenträger die falsche Lockenpracht abgelegt. Der Präsident des britischen Unterhauses verzichtete bereits 1992 darauf. Die Lordrichter im Oberhaus tragen inzwischen ebenfalls keine Perücken mehr.

Staatsanwälte und Anwälte vor Gericht müssen allerdings erst nachziehen, auch bei ihnen ist die Debatte schon lange im Gange. Im vergangenen Jahr sprach sich aber bei beiden Gruppen eine Mehrheit gegen die Abschaffung aus.

Bei Strafprozessen weiterhin üblich
Perücken und Roben würden die Bürger einschüchtern, so Phillips. Allerdings musste er auch gegen die Widerstände in den eigenen Reihen kämpfen: Viele Kollegen würden den Bruch mit der Tradition beklagen, so der Lordoberrichter gegenüber der "Times". Von Verweigern hätte er zwar noch nichts gehört, bei Strafprozessen habe er sich aber nicht durchsetzen können.

Hitzige Verkleidung
Um der "Würde des Ereignisses" gerecht zu werden, tragen Richter dabei auch weiterhin Perücken - aber auch aus praktischen Gründen: Viele Richter begrüßten ihre "Verkleidung", weil sie dadurch eine gewisse Anonymität erhalten und von Angeklagten außerhalb des Gerichts weniger leicht erkannt werden.

Andererseits stöhnen viele Rechtsvertreter besonders im Sommer unter der Verpflichtung, rund ein halbes Kilogramm Pferdehaar auf dem Haupt tragen zu müssen. Nur bei allzu großer Hitze kann ein Gericht in Ausnahmefällen einen Verzicht auf das Standessymbol erklären.

Neue Roben
Doch nicht nur mit der Tradition der Perücken wird nun gebrochen, die Richter erhalten auch neue Roben. Entworfen wurden sie von der britischen Stardesignerin Betty Jackson.

Statt je nach Anlass fünf verschiedene Ausfertigungen zur Verfügung zu haben, werden die britischen Richter nur noch ein Modell besitzen, das sich mit einem goldenen, roten, violettn und blauen Ordensband je nach Gericht adaptieren lässt.

Ersparnis für die Staatskasse
Und das bringt nicht zuletzt auch eine Ersparnis für die britischen Steuerzahler: Die Regierung soll durch die Vereinfachung der Kleiderordnung rund 200.000 Pfund (250.000 Euro) jährlich sparen - und das, obwohl die Richter alle zehn Jahre neu eingekleidet werden.

Bisher galt für Richter in Sachen Roben das Urteil lebenslänglich - egal, wie mottenzerfressen die Amtstracht schon war.

"Star-Trek-Look" und "böser Pastor"
Jackson verlangte laut "Times" auch kein Honorar für die Entwürfe. Ob sie allerdings auch tatsächlich gelungen sind, spaltet die Presse. Ein Hauch der Modewelt sei zu spüren, meint das Online-Fachmagazin "The Lawyer". Modekritiker sind da schon kritischer: Die "Daily Mail" fühlt sich allzu sehr an die Kostüme des "Raumschiff Enterprise" erinnert und spricht von einem "Star-Trek-Look".

Die Farbkombination kann den Träger gar nicht anders als wie einen "bösen Pastor" aussehen lassen, meint der "Guardian". Auch hier kommt der Star-Trek-Vergleich: Lord Phillips habe bei der Vorführung ausgesehen wie ein Kartenverkäufer der "Star Trek Experience" in Las Vegas: "Und beurteilt man seinen Ausdruck, weiß er das auch."

Links: