Mehr Farbe für die Lippen

Vor 125 Jahren wurde in Amsterdam der Lippenstift präsentiert.
Er hat einst als obszön gegolten, als anrüchig und als skandalträchtiges Phallussymbol: Der Lippenstift war nach seiner Erfindung vor 125 Jahren lange Zeit verpönt - bis er schließlich doch seinen weltweiten Siegeszug antrat. Heute ist der Lippenstift das meistverkaufte Kosmetikprodukt der Welt. Jede Sekunde werden weltweit 23 Stück verkauft.

Rote Farbe in kleinen Dosen
Die Betonung von roten Lippen gab es schon vor Tausenden von Jahren. Bereits Nofretete malte sich wie andere Ägypterinnen ihrer Zeit die Lippen an; die Farbe wurde damals allerdings in kleinen Döschen aufbewahrt und mit dem Finger oder Pinsel aufgetragen.

Ende des 19. Jahrhunderts hatten zwei Franzosen dann die Idee, dieses Make-up in eine handlichere Form zu bringen. Sie versetzten die Farbe mit Hirschtalg und Bienenwachs, wickelten schmale Rollen in Seidenpapier und präsentierten den Lippenstift auf der am 1. Mai 1883 eröffneten Weltausstellung in Amsterdam.

"Ein Skandal"
"Das war aber alles andere als erfolgreich", berichtet der Berliner Visagist und Lippenstiftexperte Rene Koch, der Lippenstifte und Lippenstiftabdrücke prominenter Frauen sammelt.

Der Stift schmolz leicht und sorgte für Chaos in den Handtaschen; außerdem war das kleine Utensil schnell als anrüchig verrufen. Koch: "Der Lippenstift war ein Phallussymbol, das man sich dann auch noch an den Mund halten sollte - ein Skandal."

Deswegen verwendeten ihn anfangs nur Tänzerinnen und Prostituierte, und die berühmte französische Diva Sarah Bernhardt gab ihm sogar den frivolen Beinamen "Stylo d'Amour" ("Stift der Liebe").

Filmstars als Vorbild
Erfolgreich wurde der Lippenstift erst mit der Verbreitung des Films in den 20ern, wie die Kulturwissenschaftlerin Annette Bitsch von der Humboldt-Universität Berlin sagt: "Die Leinwandstars machten das Lippenrot richtig populär."

So malten sich die Frauen zuerst brombeerrote, kleine Lippen - "Bienenstichmünder" - wie ihre Vorbilder in den Stummfilmen. Später wurden die Lippen wie im Ton- und Farbfilm breiter und auch die Farbe greller.

Knefs "Volkslippenstift"
Der endgültige Durchbruch kam nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Amerikaner brachten den Drehlippenstift nach Europa, und in Deutschland warb Hildegard Knef für den "Volkslippenstift" für 1,50 Mark.

Pro Jahr werden heute weltweit rund 380 Millionen Euro für Lippenstifte ausgegeben, die glänzende Variante des Lipgloss nicht mitgerechnet. In den USA benutzen einer Umfrage zufolge sogar schon 55 Prozent der sechs- bis neunjährigen Mädchen regelmäßig Lippenstift.

Von Teeses Lippenstift-Strip
Auch wenn der Lippenstift damit zum Massenphänomen geworden ist, provozieren kann man mit ihm noch immer. So stehen schwarze Lippen wie bei Goths und Punks für eine Ablehnung gesellschaftlicher Konventionen.

Und die Stripperin Dita Von Teese, die zuletzt in Wien in einem übergroßen Martiniglas auftrat, räkelte sich vor einiger Zeit um den "Lipteese", eine phallisch anmutende Großversion des Lippenstifts.

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