Verdächtiger gut organisiert

Der Fall klärt sich immer weiter.
Im Inzestfall von Amstetten werden immer mehr Details über das Leben im Verlies und die Versorgung der Opfer bekannt. So soll der verdächtige 73-jährige Josef F. seine eingesperrte Tochter und deren Kinder 24 Jahre lang unbemerkt versorgt haben.

Um nicht aufzufallen, brachte er die Einkäufe in der Nacht in den Keller, wie noe.ORF.at am Dienstag berichtete.

Weite Wege für Einkauf
Lebensmittel, Kleidung und Windeln - das Notwendigste, was die vier im Keller eingesperrten Personen zum Überleben brauchten - hatte der Mann aus Amstetten nie in seiner Heimatstadt gekauft.

Für die Einkäufe soll er, um nicht aufzufallen, immer weitere Wege in Kauf genommen haben. In der Nacht wurden dann die Einkäufe heimlich in das Kellerverlies gebracht. Die Frau des Verdächtigen hat nach eigener Aussage davon nie etwas bemerkt.

Baubewilligung für Keller
Auch in Sachen Verlies werden zunehmend Details bekannt. Für den Keller, den der Verdächtige zu einem Verlies machte, gab es bereits in den 70er Jahren eine Baubewilligung. Zuständige Behörde war die Stadt Amstetten. Konkret wurde am 31. Oktober 1978 eine "Errichtung eines unterkellerten Zubaus" genehmigt.

"In unseren Unterlagen ist aber nicht explizit von einem Schutzraum die Rede", sagte Bürgermeistersprecher Hermann Gruber am Dienstag der APA. Wegen des Kalten Krieges sei für die damalige Zeit dieses Bauvorhaben jedoch kein außergewöhnliches Ansinnen gewesen.

Versteckter Zugang damals nicht verdächtig
Am 26. Juli 1983 wurde nach Besichtigung durch die Baubehörde Amstetten die Benützungsbewilligung für den unterkellerten Zubau ausgesprochen. Dass dieser Zubau durch eine kleine Türe verschlossen und versteckt angelegt war, sei nicht weiter verdächtig gewesen, weil man Schutzräume eher unauffällig anlege, sagte der Bürgermeistersprecher.

"Ob der Keller jetzt noch so ausschaut wie damals, wissen wir nicht genau", sagte Gruber. Nach Auftauchen der Bilder in den Medien habe man sich die alten Baupläne noch einmal angeschaut. "Wir sind der Meinung, dass etwas zugebaut worden ist."

Weitere Häuser besessen
Der Verdächtige soll weitere Häuser in St. Pölten und Waidhofen/Ybbs gekauft und als Wohnungen weitervermietet haben. Zuletzt hat ein von ihm geplantes Wohnhausprojekt in Amstetten für Aufregung gesorgt - mehr dazu in noe.ORF.at.

U-Haft verhängt
Über den Mann wurde am Dienstag die Untersuchungshaft verhängt. Die nächste Haftverhandlung findet am 13. Mai statt - mehr dazu in noe.ORF.at.

Verteidiger: Emotional gebrochen
Der Verteidiger des Verdächtigen, Rudolf Mayer, besuchte am Dienstagvormittag seinen Mandanten in der Justizanstalt St. Pölten und unterhielt sich rund zehn Minuten mit seinem Mandanten. "Er wirkt ernst, betroffen, emotional gebrochen", fasste der Anwalt gegenüber der APA seine Eindrücke zusammen.

Bis zur nächsten Haftprüfung am 13. Mai werde er die Anschuldigungen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft haben: "Da kann man dann sagen, ob die weitere Anhaltung gerechtfertigt ist."

Gefängnis: Keine Selbstmordgefahr
Der Mann wurde am Dienstag von einem Psychologen und einem Psychiater untersucht. "Beide haben festgestellt, dass derzeit keine suizidalen Tendenzen intendiert sind", sagte der Anstaltsleiter der Justizanstalt St. Pölten, Oberst Günther Mörwald.

Viele offene Fragen
Staatsanwalt Gerhard Sedlacek sagte, man wolle sich nicht nur auf das Geständnis des Verdächtigen verlassen, sondern dieses auch mit der umfassenden Sicherung von Beweismitteln untermauern.

Besonders interessiert die Kriminalisten, unter welchen Umständen der Säugling vor zwölf Jahren gestorben ist, dessen Leiche der 73-Jährige im Heizkessel verbrannt haben soll.

Können die Kriminalisten dem Verdächtigen nachweisen, dass der Säugling bei entsprechender medizinischer Betreuung überlebt hätte, dann könnte der Verdächtige auch wegen Mordes durch Unterlassung angeklagt werden.

Wie baut man allein eine 300-Kilo-Tür ein?
Offen ist ebenfalls noch, ob der Verdächtige möglicherweise doch Mitwisser hatte. Im Besonderen geht es darum, ob der Mann das Kellerverlies tatsächlich allein errichtet hat.

Im Brennpunkt der Ermittlungen steht dabei vor allem die rund 300 Kilogramm schwere Stahltür, mit der das Kellerverlies versperrt war. Konnte der Verdächtige diese Tür tatsächlich alleine einbauen? Dieser Frage gehen jetzt Kriminaltechniker des Innenministeriums nach.

Hätte Behörden etwas auffallen müssen?
Die Behörden sehen bis dato in ihrem Verhalten keine Versäumnisse oder Verfehlungen und weisen Vorwürfe einer mangelnden Überprüfung zurück.

Dennoch bleibt die Frage, ob die Bezirkshauptmannschaft in den Jahren 1993, 1994 und 1997 ausreichend geprüft hat, unter welchen Umständen die Kleinkinder in die Obhut des Verdächtigen und dessen Frau gekommen sind. Der Mann hatte angegeben, seine Tochter habe die Kleinkinder bei ihm abgegeben und jeweils einen handgeschriebenen Brief der Tochter vorgelegt.

Polizei sucht Zeugen
Die Polizei sucht nach weiteren Zeugen und Hinweisen. Zweckdienliche Hinweise bitte an den Journaldienst des Landeskriminalamtes Niederösterreich unter der Telefonnummer 059133/303333.

Links: