Die Schädel mit der "übernatürlichen" Kraft

Der im Pariser Museum Quai Branly ausgestellte Kristallschädel wurde vermutlich in Deutschland hergestellt.
Fantasy und historische Fakten sind in den "Indiana Jones"-Filmen schon immer nah beieinander gelegen. Nach jahrelanger Vorbereitung startet demnächst der vierte Teil, "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels".

Rätselhaftes Kristall
In dem Abenteuerfilm, der am 22. Mai weltweit parallel in die Kinos kommt, sucht der von Harrison Ford gespielte und merklich gealterte Archäologe nach den von Mythen umrankten Kristallschädeln, die aus dem präkolumbischen Südamerika, von den Inka, Azteken oder Maya, stammen - so will es die Legende.

Neue Untersuchungen haben jetzt allerdings bewiesen, dass ein in Paris ausgestellter Kristallschädel aus dem 19. Jahrhundert stammt und mit modernen Werkzeugen in Deutschland angefertigt wurde.

Londoner Schädel als Fälschung ausgewiesen
Unter Historikern sind Alter und Herkunft der Schädel schon lange umstritten. Die Beweisführung ist aber kompliziert, unter anderem, weil sich das Alter von Kristallbearbeitungen nicht exakt datieren lässt.

Das im Britischen Museum in London ausgestellte Exemplar ist bereits seit den 90ern als Arbeit aus dem 19. Jahrhundert ausgewiesen. Und jetzt, ausgerechnet kurz vor dem Start von "Indy IV" und dem neu angekurbelten Interesse an den Schädeln, kommt aus Frankreich eine neue Enthüllung: Das im Pariser Museum Quai Branly ausgestellte Stück wurde ebenfalls als eindeutige Fälschung entlarvt.

"Aus dem 19. Jahrhundert"
Der elf Zentimeter hohe und 2,5 Kilogramm schwere Schädel stamme "aus dem 19. Jahrhundert, vermutlich aus der zweiten Hälfte", teilte das Forschungs- und Restaurationszentrum der französischen Museen (C2RMF) nach eingehender Prüfung mit.

Der Pariser Schädel ist nur einer von Dutzenden, die über die ganze Welt verteilt sind. Die Smithsonian Institution in Washington erhielt etwa ein Exponat vor rund 15 Jahren. Es lag in der Post, zur Verfügung gestellt von einem anonymen Spender.

Neues Zeitalter
Der Legende nach würde die Wiedervereinigung einer angenommenen Zahl von zwölf Schädeln und eines geheimen 13. Kopfes die Welt vor dem Untergang bewahren. Angeblich müssen die Köpfe am letzten Tag des Maya-Kalenders vereint werden, um die Menschheit in ein neues Zeitalter des Lichts zu führen: Das wäre am 21. Dezember 2012.

"Sehr regelmäßige Spuren"
Doch daraus wird nun wohl nichts, sehr zur Unbill von "Indiana Jones"-Vermarktern und Weltuntergangstheoretikern. Das elf Zentimeter hohe Quai-Branly-Exponat trage "sehr regelmäßige Spuren von Abrieb und Polieren und ist folglich mit modernen Werkzeugen hergestellt", sagten die Museumsexperten Thomas Calligaro und Yvan Coquinot.

Ein Teilchenbeschleuniger habe zudem einen "Hydratfilm" - eine Wasserschicht im Quarz - enthüllt, die eindeutig aus dem 19. Jahrhundert stamme. Man nannte sogar eine Werkstatt in Deutschland, in der der Schädel vermutlich hergestellt wurde.

"Indy" als Museumswerbung
Das Britische Museum geht inzwischen davon aus, dass kein einziger der bekannten Schädel authentisch ist. Mit diesem Umstand und damit, dass die Legende jetzt als Blockbuster-Stoff verbraten wird, hat das Haus aber kein Problem, wie der "Daily Telegraph" einen Sprecher zitiert.

"Als Unterhaltung wird der Film die Öffentlichkeit sicher ansprechen. Es handelt sich natürlich um ein rein fiktives Werk. Wir hoffen trotzdem, dass es das Publikum dazu anregen wird, den Schädel im Britischen Museum zu besuchen und sich über die Kultur der Azteken zu informieren."

Kritische Stimmen
Kritischer sieht das das Archaeological Institute of America. In der neuen Ausgabe seines Magazins "Archeology" warnt es vor Ausverkauf.

"Warum sind die Kristallschädel schon so lange so erfolgreich, und warum stellen sie manche Museen trotz des fehlenden archäologischen Kontexts und der offensichtlichen ikonografischen, stilistischen und technischen Umgereimtheiten noch immer aus? Vielleicht, weil diese makabren Objekte wie die 'Indiana Jones'-Filme ein verlässlicher Publikumserfolg sind."

Archäologe oder Grabräuber?
Überhaupt scheinen Archäologen ein weitaus größeres Problem mit "Indy" zu haben als Museumsmanager. Für die US-Archäologin Winifred Cramer, die gerade Grabungen in Peru durchführt, ist Indiana Jones "die schlimmste Sache, die der Archäologie passieren konnte, weil er vor nichts und niemandem Respekt hat".

"Indiana Jones beschreitet einen schmalen Grat zwischen Archäologe und professionellem Grabräuber", sagte Cramer dem US-Radiosender NPR.

Damit spielt der fiktive Actionheld wohl in der gleichen Liga wie die mutmaßlichen Urheber der Kristallschädel: Mehrere der heute bekannten Exponate gingen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Hände von Alphonse Pinart, einem französischen Abenteurer, der stets knapp bei Kasse war, und dem Pariser Antiquitätenhändler Eugene Boban. Sie könnten die Köpfe hinter den mysteriösen Schädeln gewesen sein.

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