Der freundliche Luftpirat

Nähert sich der Fall "Norjak" nach über 36 Jahren der Aufklärung?
Seit über 36 Jahren ist er auf der Flucht - oder tot: Am 24. November 1971 sprang der Flugzeugentführer D. B. Cooper über dem US-Bundesstaat Washington mit einem Fallschirm aus der Heckklappe einer Boeing 727. Bei sich hatte er einen Rucksack mit 200.000 Dollar Lösegeld, gegen das er zuvor die Passagiere unverletzt freigelassen hatte.

Seither ist der Mann spurlos verschwunden und sein Fall, der beim FBI den Codenamen "Norjak" trägt, die einzige ungeklärte Flugzeugentführung in der Geschichte der US-Bundespolizei.

Verzweifelte Suche nach Spuren
Larry Carr, der zuständige FBI-Ermittler, bezeichnete den Fall in der "Los Angeles Times" ("LA Times") jüngst als "das ultimative Rätsel".

Carr hat die FBI-Ermittlungen nach Jahren der Geheimniskrämerei jetzt öffentlich gemacht. Denn D. B. Cooper ist in den USA eine Legende, und die Hoffnung, dass es durch das neu angekurbelte Medieninteresse zu fruchtbaren Hinweisen aus der Bevölkerung kommt, ist für das FBI die letzte Chance, das Rätsel noch zu lösen.

Auch wenn sie lang vergessen ist, irgendeine Spur muss Cooper hinterlassen haben, hofft Carr: "Er muss von irgendwoher gekommen sein. Er muss jemanden gekannt haben."

Aus Dan wurde D. B.
Im Laufe der Ermittlungen gab es schon etliche Verdächtige, manche plausibler als andere. Zu den exotischeren Theorien zählt die Vermutung, dass Cooper ursprünglich eine Frau gewesen sein könnte und eine Geschlechtsumwandlung absolviert hatte.

Schon der Name, unter dem das Phantom bekannt ist, ist ein Mix aus Fakt und Fiktion. Der Entführer bestieg mit einem Ticket auf den wohl erfundenen Namen Dan Cooper die Passagiermaschine der Fluggesellschaft Northwest.

Ein Mann namens D. B. Cooper wurde nach dem Verbrechen zwar befragt, galt aber nie als Verdächtiger; seine Initialen haben sich aber bis heute als Synonym für den Fall gehalten.

Fallschirm im Landegebiet gefunden
Gelöst ist der Fall zwar noch nicht, aber es geht voran: Seit das FBI die Ermittlungen wieder aufgenommen hat, ist aus einem Tipp aus der Bevölkerung pro Monat einer pro Tag geworden.

Als vor wenigen Wochen spielende Kinder mitten im vermuteten Landegebiet einen alten Fallschirm fanden, wurde das schon als Durchbruch gewertet - vorschnell, wie man inzwischen weiß, denn der Schirm war aus Seide, während jener, den Cooper benutzte, aus Nylon war.

"Eine Art Kapitulation"
Dass FBI-Agent Carr inzwischen ganz offen Beweise präsentiert und über Theorien sinniert, wertet die "LA Times" als "eine Art Kapitulation", als "Eingeständnis, dass es wichtiger geworden ist, das Rätsel zu lösen, als den Kriminellen zur Strecke zu bringen".

Dabei stand Cooper einst auf der FBI-Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher. Heute hätte die Summe, die Cooper erpresste, einen Wert von knapp über einer Million Dollar. Dass ihn Terrorpate Osama bin Laden, Drogenbarone und Massenmörder längst von der Liste verdrängt haben, verwundert wenig.

Songs, Bücher, Filme
D. B. Cooper ist heute vor allem ein popkulturelles Phänomen. Über ihn wurden unzählige Songs und Bücher geschrieben, und der spektakuläre Absprung aus der Heckklappe der 727 inspirierte etliche Actionfilme.

Carr hält seinen Gegenspieler allerdings nicht für den smarten Gentleman-Gangster, als der er gern dargestellt wird, sondern für einen "Schlaumeier", der einen gewagten Plan austüfteln, ihn aber mangels Kompetenz alles andere als perfekt umsetzen konnte.

Coopers Fehler
Darauf deuten einige Indizien hin: Cooper ließ sich das Lösegeld in kleinen Scheinen ausbezahlen, was großes Gewicht und Probleme beim Absprung zur Folge hatte. Er sprang zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt ab, in der Nacht und bei schlechtem Wetter. Und aus den vier ihm zur Verfügung stehenden Fallschirmen wählte er ausgerechnet das antiquierteste Modell aus.

Zu Tode gestürzt?
Carr zieht daraus seine eigenen Schlüsse: Er glaubt, dass sich Cooper beim Absprung verschätzte, in einen Luftstrudel gezogen wurde, den Rucksack mit dem Geld verlor und zu Tode stürzte. Die in den dichten Wäldern rund um Seattle lebenden Aasfresser, meint der FBI-Ermittler, hätten schließlich dafür gesorgt, dass nicht einmal Coopers Leiche gefunden wurde.

Doch das sind nur Spekulationen. Bis die Wahrheit ans Licht kommt, lebt D. B. Cooper weiter - als Phantom.

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