Bahn in Turbulenzen

Massiver Personalwechsel an Spitze der Bahn.
Kaum ein Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine solch hohe Managementfluktuation erlebt wie die ÖBB. Die Bahnreform 2005 brachte neue Hierarchien und zahlreiche neue Vorstandsjobs - Laufzeit der Verträge großteils bis 2009. Nach internen Konflikten und Druck von außen dürften aber nur wenige ihre Amtszeit zur Gänze erfüllen.

Den Konzern bereits verlassen haben die ursprünglichen ÖBB-Personenverkehrsvorstände Wilhelmine Goldmann und Stefan Wehinger, Infrastrukturvorstand Alfred Zimmermann sowie die Postbus-Geschäftsführer Paul Frey und erst vor wenigen Tagen auch Michael Gassauer.

Im Folgenden die Vorwürfe gegen die noch verbliebenen Vorstände im Überblick:

Finanzspekulationen: Im Zusammenhang mit den Cross-Border-Leasing-Transaktionen, bei denen die ÖBB Anlagen nach Übersee vergeben und wieder zurückmieten, haben die ÖBB in Wertpapiere investiert, aus denen Leasingraten während und der Rückkaufpreis am Ende der Vertragslaufzeit finanziert werden sollten.

Im Zuge dessen haben die Bundesbahnen mit der Deutschen Bank "Collateralized Debt Obligations" (CDO) abgeschlossen. Dabei investierten die ÖBB 612,9 Mio. Euro in Kredite von rund 200 Unternehmen.

Aufgrund der Finanzmarktkrise ist der Wert des Portfolios dramatisch eingebrochen. Die ÖBB mussten laut Medienberichten kumuliert bereits über 230 Mio. Euro zurückstellen.

Das Management hat bisher darauf verwiesen, dass es sich dabei um eine rein buchhalterische Angelegenheit handle, keine realen Verluste eingetreten seien und bis zum Ende der Laufzeit bis 2015 kein Geld verloren gehen sollte.

Der Aufsichtsrat hat dennoch eine Prüfung möglicher rechtlicher Schritte gegen die Deutsche Bank eingeleitet. Außerdem hat der Wirtschaftsberater Deloitte & Touche die Spekulationsgeschäfte geprüft und in einem 300-seitigen Prüfbericht offenbare schwere Vorwürfe erhoben.

Laut ORF-Radio sollen die riskanten Spekulationsgeschäfte ohne Vorstandsbeschluss abgeschlossen worden sein und die Aufsichtsräte erst Monate später zum ersten Mal von dem Deal mit der Deutschen Bank erfahren haben.

Privatgeschäfte: Gemeinsam mit dem Wirtschaftstreuhänder Josef Ischepp hatte die Ehefrau von ÖBB-Generaldirektor Huber 2006 von der Telekom Austria um 5,8 Millionen Euro eine Immobilie in der Wiener Innenstadt am Schillerplatz 4 erworben und heuer für elf oder zwölf Mio. Euro an die Immobilienfirma Seeste weiterverkauft.

Die Seeste ist einer der größten Geschäftspartner der ÖBB auf dem künftigen Hauptbahnhofgelände beim heutigen Südbahnhof. Der Aufsichtsrat hat ein Gutachten bei der Arbeitsrechtlerin Sieglinde Gahleitner in Auftrag gegeben. Dabei wurde bekannt, dass Ischepp seinen 75-prozentigen Anteil treuhändisch für Huber selbst verwaltet haben soll.

Der juristischen Expertise folgend soll dem ÖBB-Chef ein 25-Prozent-Paket an der Schillerplatz GmbH direkt zuordenbar gewesen sein. Die restlichen 50 Prozent soll Huber für einen unbekannten Dritten gehalten haben. Huber bestreitet, selbst in den Deal involviert gewesen zu sein.

Immobiliengeschäfte: Der Rechnungshof hat auch die Immodeals der ÖBB selbst kritisiert. In dem Rohbericht war von fehlenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen, fraglichen Verkaufsoptimierungen durch eingeschränkte Interessentensuche, fehlender Transparenz bei der Auswahl der Investoren, einer Ungleichbehandlung von Bietern sowie von einer Übernahme von Gutachten trotz unschlüssiger Bewertungsansätze ohne Plausibilitätsprüfung die Rede.

Kritik kam dabei auch an der Chefin der ÖBB-Immobilien-GmbH, Michaela Steinacker. Im Aufsichtsrat soll das zuletzt aber kein Thema gewesen sein.

Ungarn-Einstieg: Ein umstrittener, 7,1 Mio. Euro schwerer Beratungsauftrag der ÖBB an die Budapester Lobbying-Firma Geuronet rund um die Übernahme des ungarischen Eisenbahn-Güterverkehrs MAV Cargo hat zuletzt den für den Absatz zuständigen ÖBB-Holding-Vorstand Gustav Poschalko unter Druck gebracht.

Poschalko hat alle Vorwürfe zurückgewiesen, die Vorwürfe sollen ihm zufolge im Aufsichtsrat vom Tisch gewischt worden sein.

Managementgehälter: Rechnungshof-Präsident Josef Moser hat dem ÖBB-Management außerdem vorgeworfen, dass es sich durch die Auflösung von Restrukturierungsrückstellungen Prämien gesichert habe.

Die Durchschnittsgehälter für die ÖBB-Holding-Vorstände stiegen von 2005 auf 2006 dank erstmals ausgezahlter Erfolgsprämien von 390.000 auf 553.000 Euro. Der Aufsichtsrat hat die Prämien aber im Vergleich mit der Deutschen Bahn als "normal" bezeichnet.

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