US-Konzern weist Vorwürfe zurück

Allein in den USA schädigte das Medikament geschätzte 88.000 bis 140.000 Menschen.
Im Skandal um das 2004 vom Markt genommene Schmerzmittel Vioxx erheben US-Mediziner erneut schwere Vorwürfe gegen den amerikanischen Pharmakonzern Merck & Co.

Das Unternehmen habe zuvor Todesfälle von Alzheimer-Patienten verschwiegen und die Risiken des Medikaments heruntergespielt, kritisiert eine Forschergruppe der Universität in Seattle (US-Bundesstaat Washington) nach der Analyse von zum Teil firmeninternen Dokumenten.

Der Pharmakonzern wies die Vorwürfe zurück. "Die Behauptung, Merck habe Sterblichkeitsdaten aus Alzheimer-Studien unrichtig dargestellt, ist schlichtweg falsch", sagte der Forschungspräsident des Unternehmens, Peter Kim.

Tote verschwiegen
Die Ergebnisse sind im Journal des US-Ärzteverbands, "JAMA", vom Mittwoch zusammengefasst. Dem Bericht zufolge soll eine interne Studie von Merck im April 2001 einen drastischen Anstieg der Todesfälle bei Alzheimer-Patienten nach der Einnahme des Wirkstoffs Rofecoxib ergeben haben.

Von 1.069 mit dem Medikament behandelten Patienten starben 34. In der etwa gleich großen Gruppe von Alzheimer-Kranken, die nur ein Placebo bekamen, gab es dagegen lediglich zwölf Todesfälle. Diese Zahlen seien weder den US-Gesundheitsbehörden noch der Öffentlichkeit zeitnah mitgeteilt worden, schreiben die Autoren Bruce Psaty und Richard Kronmal.

Unvollständige Übermittlung
Wenige Monate später seien der US-Arzneimittelaufsicht (FDA) Daten übermittelt worden, die sich lediglich auf Todesfälle während der unmittelbaren Behandlung bezogen.

Über die Sterberaten 14 Tage nach Absetzen des Medikaments und später sei nicht mehr informiert worden, hieß es. "Diese Berichtspraxis verringerte die Anzeichen, dass es überhaupt ein Todesrisiko gibt", folgern die Mediziner.

"Unabhängige" Studien selbst verfasst
In einem zweiten Artikel in dem Fachmagazin heißt es zudem, Studien und angeblich unabhängige Veröffentlichungen zu den Vorteilen des Arthritismedikaments seien von der US-Pharmafirma selbst oder bezahlten Agenturen verfasst worden.

Renommierte Mediziner hätten erst nachträglich ihren Namen dafür hergegeben, teilweise offenbar gegen Bezahlung, so die Autoren Joseph Ross, Kevin Hill, David Egilman und Harlan Krumholz.

Die neuen Vorwürfe reihen sich ein in eine ganze Fülle von Enthüllungen, die die Praktiken des Konzerns schon in den vergangenen Jahren in keinem guten Licht erscheinen ließen. Allerdings hatte es auch Kritik an der FDA wegen der Zulassung des Medikaments gegeben.

Unternehmen greift Autor an
Merck konterte, das Unternehmen habe alle Daten aus den Alzheimer-Studien von 2001 und die nachfolgenden Analysen an die FDA geschickt. Das habe Autor Kronmal bei einem Kreuzverhör vor Gericht selbst bestätigt. Den Firmenangaben zufolge war der Mediziner in dem Rechtsstreit um Vioxx als ein von den Klägern bezahlter Zeuge aufgetreten.

"Wir sind enttäuscht, dass solche falschen und irreführenden Statements von Verfahrensanwälten über Merck ihren Weg in eine Medizinzeitschrift gefunden haben", sagte Kim. Das Unternehmen betonte, die gründliche Auswertung der Unterlagen habe keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Todesfällen und dem Medikament ergeben.

Milliardenentschädigung nach langem Streit
Vioxx, einst ein Kassenschlager des US-Pharmariesen, war 2004 vom Markt genommen worden, nachdem eine Studie ein erhöhtes Herzrisiko bei Patienten zeigte, die das Schmerzmittel mindestens 18 Monate eingenommen hatten. Nach einer Schätzung der FDA hatte das Mittel allein in den USA bei 88.000 bis 140.000 Menschen schwere Herz- und Kreislaufleiden ausgelöst.

Nach Tausenden Klagen einigte sich Merck im November 2007 nach einem jahrelangen Rechtsstreit schließlich mit einem Großteil der Kläger auf eine Milliardenentschädigung. Danach richtete das Unternehmen einen Fonds in Höhe von 4,85 Milliarden Dollar (rund drei Mrd. Euro) ein. Merck erreichte mit dem Medikament einen Jahresumsatz von 2,5 Mrd. Dollar.

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