"Wollte nicht zu viel darüber reden"

Bei Paris lagern 347.000 Propagandabilder der Wehrmacht.
Fast unbeachtet hat über 60 Jahre lang in einem alten Militärfort bei Paris ein riesiges Fotoarchiv der deutschen Wehrmacht geschlummert.

Aus Angst vor "Missverständnissen" hielt Frankreich die fast 350.000 NS-Propagandabilder bisher unter Verschluss. Wie sie nach der Befreiung Frankreichs überhaupt in die Festung von Ivry-sur-Seine südlich von Paris kamen, ist bis heute unklar.

Material der Propagandakompanien
In den Kasematten der Festung lagern 347.000 Abzüge und Negative, die im Auftrag der Propagandakompanien der Wehrmacht geschossen wurden. Die Bilder und Texte der Propagandakompanien dienten während des Zweiten Weltkriegs als Grundlage für Berichte in Zeitungen, Magazinen und Wochenschauen.

Auf den Pariser Bildern sind die Einsätze der deutschen Armee zu sehen - nicht nur in Frankreich, auch in Russland, Italien, Griechenland und Afrika. Einige wurden von ebenso bekannten wie umstrittenen Fotografen wie Hans Ertl und Walter Frentz gemacht, die beide für die NS-Filmemacherin Leni Riefenstahl als Kameramänner gearbeitet hatten.

In die Hände der Alliierten gefallen
Der Weg der Bilder in das Festungsarchiv ist geheimnisumwittert. "Man erzählt, dass Goebbels ihre Vernichtung angeordnet hat, aber dass mehrere Lastwagenladungen in die Hände der Alliierten gefallen sind", erklärt Nicolas Ferard, Archivar des Zentrums für Kommunikation und audiovisuelle Produktion des französischen Verteidigungsministeriums (ECPAD).

Die US-Armee habe damals 1,1 Millionen Bilder erhalten, die Briten 60.000. Sie wurden später an die BRD übergeben, nicht aber die in Frankreich verbliebenen Negative und Abzüge.

"Furcht vor Missverständnissen"
Sechs Jahrzehnte lang hat das Verteidigungsministerium einen Mantel des Schweigens über die Bilder gelegt, zeitweise war der Zugang auch für Fachleute beschränkt.

Man habe "Furcht vor Missverständnissen" gehabt, sagt die Archivbeauftragte Violaine Challeat. "Man wollte nicht zu viel darüber reden, dass die französische Armee Wehrmachtsbilder aufbewahrt, auf denen zuweilen Hakenkreuze zu sehen sind."

Gut erhalten
Die in Ivry-sur-Seine gelagerten Negative haben kaum etwas von ihrer Schärfe und ihrem Kontrast verloren. "99 Prozent wurden mit Leica-Kameras gemacht", so Ferard. "Das sind Bilder von großer Qualität." Die Klassifizierung des Archivs ist eine Sisyphusarbeit, denn in den 50er Jahren wurden Legenden und Fotos bei einer Umlagerung getrennt.

Falsche Beschriftungen
Ein Problem mit schwerwiegenden Folgen: Einige der Fotos, die in der umstrittenen, ab 1995 gezeigten Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung verwendet wurden, wiesen Fehler in der Beschriftung auf; die Schau musste ausgesetzt werden.

Die fraglichen Bilder zeigten NS-Opfer, die ein Massengrab ausheben mussten, bevor sie durch Wehrmachtsoldaten umgebracht wurden. Als Schauplatz wurde in der Ausstellung irrtümlich Serbien im August oder September 1941 angegeben. Die Macher verließen sich dabei auf eine handschriftliche Eintragung auf einem Album in Ivry.

Viel Sprengstoff
In Frankreich, in dem einige Kapitel der Besatzungszeit noch längst nicht aufgearbeitet sind, könnten die Bilder auch Aspekte der Kollaboration erhellen, glaubt Ferard.

Er verweist auf Fotos, auf denen französische und deutsche Posten Seite an Seite zu sehen sind, wie sie Zwangsarbeiter beim Festungsbau überwachen: "Ein Historiker könnte hier Material finden, um die Kollaboration von französischen Unternehmen zu illustrieren, die sich im Krieg bereichert haben."

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