Vatikan bestreitet Judenmission

"Nichts Neues" oder "subtile Aufforderung zur Judenmission" - der Streit über die Karfreitagsfürbitte.
Vor allem in Deutschland gab es zum Karfreitag eine teils heftige Diskussion über die Neufassung der Karfreitagsfürbitte für den selten praktizierten lateinischen Ritus. Die Bitte lautet nun: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen."

Der Zentralrat der Juden sieht darin einen indirekten Aufruf zur Judenmissionierung, was der Vatikan aber zurückweist.

Der ursprüngliche Text von 1962 hatte gelautet: "Lasst uns auch beten für die Juden: Gott, unser Herr, möge den Schleier von ihren Herzen wegnehmen, auf dass auch sie unseren Herrn Jesus Christus erkennen."

Kardinal Kasper fordert Versachlichung
Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper plädierte zuletzt für eine Versachlichung der Debatte über die neu formulierte Karfreitagsfürbitte in der römischen Liturgie.

Die neue Fürbitte für die Juden sagt nach seinen Worten "nichts Neues, sondern spricht nur aus, was schon bisher als selbstverständlich vorausgesetzt, aber offenbar nicht hinreichend thematisiert wurde", schreibt der katholische Kardinal in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe).

"Grundlegender Unterschied zwischen Juden und Christen"
Die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für die Juden im 2007 wieder allgemein zugelassenen "außerordentlichen Ritus" nach dem Messbuch von 1962 sei gerade deshalb notwendig geworden, weil einige alte Formulierungen von jüdischer Seite als beleidigend und auch von vielen Katholiken als anstößig empfunden wurden, wies Kasper hin.

Der neue Text für den alten Ritus weise allerdings ausdrücklicher als die Fürbitte nach dem allgemein verbreiteten neuen Ritus von 1970 ("Novus Ordo") auf den "grundlegenden Unterschied zwischen Juden und Christen" hin, so der Kardinal. Dieser Unterschied bestehe im Glauben an Jesus Christus als dem Messias und Erlöser aller Menschen.

"Beten darf nicht zum Vorwurf werden"
Auch der ebenfalls deutsche Kurienkardinal Paul J. Cordes verteidigte die von Papst Benedikt XVI. kürzlich umformulierte Karfreitagsfürbitte. In einem Interview für den Deutschlandfunk sagte Cordes: Wenn Christus gekommen sei, um den Menschen Heil zu bringen, dann dürfe man den Christen nicht vorwerfen, dass sie für eine Hinwendung der Juden zu Jesus Christus beten.

Kasper, der auch Vorsitzender der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum ist, betonte, die eigentlich kontroverse Frage laute, ob Christen für die Bekehrung der Juden beten sollten und ob es eine Judenmission geben könne. Zur Beantwortung dieser Frage erinnerte er daran, dass die katholische Kirche anders als evangelikale Gruppen keine organisierte Judenmission kenne.

Scharfe Kritik von jüdischer Seite
In seltener Eintracht von liberal bis orthodox sind die Rabbiner in Deutschland über den Vatikan-Wortlaut verärgert.

Die Wiederzulassung der Karfreitagsbitte impliziere eine subtile Aufforderung zur Judenmission. Sie sei als brüskierend, überheblich und als deutlicher Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog zu bezeichnen, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, am Donnerstag in München.

Schlicht "reaktionär" nannte der Vorsitzende der eher liberalen Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, im Gespräch mit der dpa die vom Papst abgesegnete Formulierung. Das sei mit Blick auf die lange Geschichte christlichen Judenhasses "ein sehr bedauernswerter und potenziell gefährlicher Rückschritt", meinte Brandt, der sonst als durchweg konziliant im Umgang mit Christen gilt. Allerdings dürfe das nicht die Fortschritte der christlich-jüdischen Annäherung infrage stellen.

Knobloch: "Ein Rückschritt"
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, schloss sich knapp vor dem Karfreitag der Kritik der Rabbiner an. "Die Karfreitags-Fürbitte impliziert eine subtile Aufforderung zur Judenmission, die ich als brüskierend, überheblich und als deutlichen Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog bezeichnen muss", erklärte Knobloch am Donnerstag in München.

"Von Rückschritt spreche ich auch deshalb, weil diese Fürbitte weit hinter die respektvolle Formulierung aus dem Jahre 1970 zurückfällt", erklärte Knobloch. Papst Paul VI. habe damals eine Formulierung gewählt, die eine aufrichtige Wertschätzung des Judentums zum Ausdruck gebracht habe.

"Heute wird stattdessen einer Geringschätzung der jüdischen Religion das Wort geredet, wie sie einer toleranten Theologie nicht angemessen und deshalb gefährlich ist", betonte Knobloch. "In welcher Zeit leben wir eigentlich, wenn die katholische Kirche heute wieder meint, um das Seelenheil des jüdischen Volkes besorgt sein zu müssen?"

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