Entzauberung oder Zerreißprobe?

Zerreißprobe für die SPD durch Ypsilanti und die roten Hessen.
Die hessische SPD hat sich zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei bereiterklärt und damit den Streit über den Kurs der SPD neu angefeuert.

Die hessische Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti sagte am Dienstag in Wiesbaden, sie strebe eine rot-grüne Minderheitsregierung an, die sich Mehrheiten auch mit Hilfe der Linken suchen würde. Vertreter des rechten SPD-Flügels reagierten mit neuer Kritik an diesen Plänen, während linke Sozialdemokraten die hessische SPD in Schutz nahmen.

Führende SPD-Politiker stellten sich in der Debatte hinter Parteichef Kurt Beck, der den Kurswechsel eingeleitet hatte. Die Union warf der SPD erneut Wortbruch vor, der allerdings die Große Koalition im Bund nicht infrage stelle.

Ypsilanti mit "klarem Auftrag"
Ypsilanti sagte, sie habe von Landesvorstand und Fraktion einstimmig den Auftrag für Koalitionsverhandlungen mit den Grünen bekommen. Zur Bildung einer solchen Regierung seien auch Absprachen mit der Linkspartei möglich.

Sie werde versuchen, verschiedene Mehrheiten für einzelne Punkte zu organisieren. "Das kann sein mit der FDP, das kann sein mit der CDU, und das kann auch sein mit der Partei der Linken."

Um zur Ministerpräsidentin gewählt zu werden, braucht sie die Stimmen der Linkspartei. Da SPD, Grüne und Linke aber nur über eine knappe Mehrheit verfügen, sehen viele führende Genossen im Bund darin ein großes Risiko. Ein Fehlschlag würde nach ihrer Meinung auch Beck erneut schwächen, der den umstrittenen Kurswechsel zur Linkspartei eingeleitet hatte.

Parteiführung hinter Kompromiss
Er hatte damit heftige Kritik bis in die Spitze der Partei ausgelöst. Die Parteiführung hatte sich hinter einen Kompromiss gestellt, wonach die Landesverbände freie Hand im Umgang mit der Linken haben, eine Kooperation im Bund aber ausgeschlossen wird. Der am Montag bekräftigte Beschluss sollte den Streit beenden.

Nach Ypsilantis Ankündigung brach der Konflikt sofort wieder auf. "Seeheimer"-Sprecher Klaas Hübner wandte sich erneut gegen eine rot-rote Zusammenarbeit in Hessen. "Ich würde das für einen Fehler halten", der die Glaubwürdigkeit der SPD gefährde, sagte er.

Für die SPD-Linken sagte dagegen Fraktionsvize Ludwig Stiegler, die hessische Sozialdemokratie habe sich genügend um eine andere Koalition bemüht, etwa mit der FDP, die eine "Ampel" mit SPD und Grünen ablehnt. Das bezweifelte hingegen der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend.

"Wo waren die inhaltlichen Angebote?"
"Wo hat es denn die inhaltlichen Angebote an die FDP gegeben?", fragte er im "Handelsblatt" (Mittwoch-Ausgabe). Ypsilanti selbst hatte ihre Entscheidung mit Hinweis auf das Nein der FDP begründet.

Bundestagsfraktionschef Peter Struck, ein Gegner von Kooperationen mit der Linken, vermied eine Bewertung der hessischen Ankündigung. Den Angaben zufolge herrschte bis auf zwei Stimmen Konsens über den Beschluss der Parteiführung. Die Unterschiede seien aber deutlich zwischen denen, die die freie Hand der Landesverbände betonten, und den anderen, die das Nein zur Kooperation im Bund hervorhoben.

Als Beck-Vize vertrat Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Parteiführung mit einer Rede, die Teilnehmer als mitentscheidend für die geordnete Debatte bezeichneten. Auch Finanzminister Per Steinbrück gilt als entschiedener Gegner eine Kooperation mit der Linken.

Union zieht Glaubwürdigkeit der SPD in Zweifel
Unionsfraktionschef Volker Kauder zog die Glaubwürdigkeit der gesamten SPD grundsätzlich in Zweifel. "Bei der nächsten Bundestagswahl kann man sich auf nichts verlassen, was die SPD sagt", sagte er.

Die Menschen müssten wissen, dass das, was die SPD vor Wahlen sage, nach Wahlen nicht mehr gelte. "Wer der SPD bei der nächsten Bundestagswahl seine Stimme gibt, weiß nicht, was sie mit der Stimme macht."

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Union auf, Konsequenzen zu ziehen und nach einer Wahl Ypsilantis Neuwahlen im Bund herbeizuführen. Die Union könne nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn SPD und Grüne "eine neue Republik mit Sozialisten und Kommunisten vorbereiten".

"Bild" und "Lügilanti"
Die "Bild" blies am Mittwoch schon zur Kampagne gegen "Lügilanti": "Ein glasklarer Wortbruch, ein absehbarer Wortbruch - nach der Umfallerei von Kurt Beck, den halbgaren Ausflüchten, den üblichen taktischen Verrenkungen: Nun ist es plötzlich die Schuld der bockigen FDP, vor allem aber der angebliche Wählerwille. Viele Wähler werden die Faust in der Tasche ballen", schrieb das Hamburger Boulevardblatt.

Die "Financial Time Deutschland" analysierte dagegen nüchtern: "Die Linke entzaubert sich erfahrungsgemäß am schnellsten, wenn sie mitregieren muss. Die Devise der SPD kann daher jetzt nur noch lauten: ganz oder gar nicht. Die Linke muss mit in die Verantwortung. Lässt man ihr die bequeme Oppositionsrolle, dann reicht das vielleicht für die Wahl von Andrea Ypsilanti. Aber es droht ein Desaster für die SPD."

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