Ausweg aus der Krise
Die Entwicklung beginnt mit dem Ende der Habsburger-Monarchie 1918: Der kleinen Republik Deutsch-Österreich scheint die Vereinigung mit dem deutschen Nachbarn logische Folge des im 19. Jahrhundert aufgekommenen Nationalismus und einziger Ausweg aus der Wirtschaftsmisere nach dem Wegfall der wichtigen Industriegebiete in Tschechien.
Auch wenn dieser Schritt durch das Veto der Westmächte verhindert wird, schwebt der "Anschluss" als Fernziel im Raum. Erst mit der Errichtung der NS-Diktatur 1933 in Deutschland verschwindet das Thema von der Agenda der Großparteien.
Terrorwelle
Dafür setzt die Agitation der österreichischen Nazis nun mit voller Wucht ein: Anfang Juni 1933 überziehen sie Österreich mit einer Terrorwelle, am 19. Juni erfolgt das Verbot der NSDAP. Im Juli 1934 dringen illegale Nationalsozialisten ins Kanzleramt ein und erschießen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, den Vater des Austrofaschismus.
Der neue Kanzler Kurt Schuschnigg setzt den autoritären Kurs seines Vorgängers Dollfuß fort. Dieser schaltete schon im März 1933 das Parlament aus und errichtete eine von der christlich-sozialen Partei und den faschistischen Heimwehren gestützte Diktatur.
Verhandlungen im Berghof
1936 schließt Schuschnigg das Juliabkommen mit dem Deutschen Reich, nachdem ihm Mussolinis Italien als Schutzmacht abhanden gekommen ist. Hitler sichert darin die Unabhängigkeit Österreichs zu, kann aber im Gegenzug zwei Vertrauenspersonen in der Regierung platzieren.
Endgültig zu laufen beginnt der Countdown zum "Anschluss" Anfang 1938: Am 12. Februar zitiert Hitler Schuschnigg auf seinen Berghof auf dem bayerischen Obersalzberg und diktiert ihm seine Bedingungen: Der Nationalsozialist Arthur Seyß-Inquart soll Innenminister, 3.000 inhaftierte Nationalsozialisten sollen freigelassen werden.
"Bis in den Tod rot-weiß-rot"
Schuschnigg hofft, durch das neue Abkommen mit Hitler Zeit zu gewinnen. In einer dramatischen Rede vor dem Bundesrat versucht er, am 24. Februar das Ruder noch einmal herumzureißen ("Bis in den Tod rot-weiß-rot!") und lässt Anfang März eine Volksbefragung "für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich" vorbereiten.
Hitler bereitet Einmarsch vor
Als er diese am 9. März via Radio ankündigt, lässt Hitler den Einmarsch in Österreich vorbereiten. Am 11. März stellen Seyß-Inquart und Bundesminister Edmund Glaise-Horstenau Schuschnigg ein Ultimatum, die Volksbefragung zu verschieben.
Die Frist verstreicht, und Hitler unterzeichnet die "Weisung Nummer I betreffend Unternehmen Otto": "Ich beabsichtige, wenn andere Mittel nicht zum Ziel führen, mit bewaffneten Kräften in Österreich einzurücken."
Neues Ultimatum
Um 14.30 Uhr teilt Schuschnigg Bundespräsident Wilhelm Miklas mit, dass er nachgeben und die Volksbefragung absagen wird. Doch schon eine halbe Stunde später folgt das zweite Ultimatum aus Berlin: Schuschnigg soll zurücktreten und Seyß-Inquart als Bundeskanzler Platz machen.
Der soll dann, so das Kalkül der NS-Führung, ein vorbereitetes Telegramm mit der Bitte um den Einmarsch deutscher Truppen nach Berlin schicken. Doch Miklas weigert sich, den Nationalsozialisten zum Regierungschef zu ernennen, und lässt um 19.30 Uhr auch ein weiteres Ultimatum verstreichen.
"Gott schütze Österreich"
Um 19.47 Uhr tritt Schuschnigg im Bundeskanzleramt vor das Mikrofon und verkündet die Kapitulation. "Der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volk mitzuteilen, dass wir der Gewalt weichen. Wir haben, weil wir um keinen Preis, auch in diesen ernsten Stunden nicht, deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind, unserer Wehrmacht den Auftrag gegeben, für den Fall, dass der Einmarsch durchgeführt wird, ohne Widerstand sich zurückzuziehen", verkündet der Kanzler und schließt mit: "Gott schütze Österreich!"
Deutsche Truppen überschreiten Grenze
Erst gegen Mitternacht gibt auch Miklas seinen Widerstand auf und betraut Seyß-Inquart mit der Fortführung der Amtsgeschäfte. Der Einmarsch ist aber nicht mehr zu stoppen. Als Erstes landet ein Vorauskommando der SS auf dem Asperner Flughafen und beginnt mit der Verhaftung politischer Gegner.
Am 12. März überschreiten um 5.30 Uhr die deutschen Truppen bei Passau und Schärding die Grenze. Militärischen Widerstand gibt es nicht, das Bundesheer zieht sich wie befohlen zurück. Noch am 12. März erreichen die Panzerspitzen St. Pölten, in der Nacht auf den 13. März Wien.
Hitler ist "glücklich"
Hitler verkündet indessen in Linz den "Anschluss": "Es erscheint jetzt ein wichtiges Gesetz. Artikel 1 lautet: Österreich ist ein Land des Deutschen Reiches! Das ist eine große Stunde. Ich bin so glücklich."
Am 15. März folgt dann die berühmt-berüchtigte Rede auf dem Heldenplatz, bei der Hitler vor 250.000 jubelnden Zusehern vom Balkon der Neuen Hofburg aus den "Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich" verkündet. In einer von der NS-Propaganda vorbereiteten "Volksabstimmung" am 10. April stimmen schließlich 99,75 Prozent der Österreicher für den "Anschluss".
Links:
- Der Weg zum "Anschluss" (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes)
- Anschluss (Wikipedia)