Die Suche nach Hitlers "verlorenem Sohn"

Hatte Hitler eine Affäre mit einem "perfekten Exemplar einer arischen Frau"?
Ein Journalist der britischen Wochenzeitung "New Statesman" recherchiert seit fünf Jahren an einer Geschichte, die so unglaublich ist, dass er sie lange Zeit für sich behielt.

Adolf Hitler soll das Kind einer jungen Britin gezeugt haben. Martin Bright, er schreibt für den "New Statesman" über Politik, ist nach all den Jahren noch immer höchst skeptisch. Dennoch publizierte er Ende letzten Jahres einen Artikel, der die britische Presse in helle Aufruhr versetzte.

In Großbritannien geboren
Vor fünf Jahren, berichtet er, habe ihn eine gewisse Val Hann angerufen, die ihm von einer Familienlegende erzählte.

Ihre Tante habe demnach während des Zweiten Weltkrieges eine Geburtenstation im kleinen britischen Dorf Wigginton betrieben. Dort habe eine junge Frau namens Unity Mitford ein Baby zur Welt gebracht.

Der Vater des Kindes sei Adolf Hitler gewesen, habe die Geburtshelferin ihrer Schwester erzählt, die das Geheimnis später an ihre Tochter weitergab.

In Hitlers Lieblingslokal
Bright hätte den Hörer einfach aufgelegt, aber Mitford war nicht irgendjemand. Sie war die Tochter von Lord Redesdale, der den britischen Faschisten angehörte.

1934 reiste die 20-Jährige nach Deutschland, wo sie auf Parteitagen der NSDAP Hitlers Reden hörte und schließlich alles daran setzte, ihn kennenzulernen. Die Legende will, dass sie ihn in seinem Lieblingslokal so lange anstarrte, bis er sie an seinen Tisch bat.

Groß, blond und blauäugig soll sie damals gewesen sein. Von Hitler ist die Aussage überliefert, sie sei das "perfekte Exemplar einer arischen Frau".

Eva Braun war eifersüchtig
Die Berliner "taz" hat ein weiteres Detail ausgegraben: "Eva Braun, Hitlers Geliebte, notierte 1935 verbittert in ihrem Tagebuch, dass Mitford bei vielen Parteigenossen schon als künftige 'First Lady' galt."

Mitford habe Hitler so oft bei seinen Reisen begleitet, dass ihr der Beiname "Unity Mitfahrt" gegeben worden sei. Laut "Times" sei sie vom britischen Geheimdienst als "mehr Nazi als die Nazis" beschrieben worden.

Nervenzusammenbruch oder Geburt?
Bright ließ bei seinen Recherchen nichts unversucht, konnte aber keine Bestätigung für das Gerücht finden. Lediglich eine Bewohnerin der Ortschaft, in der sich die Geburtshilfestation befand, berichtete, sie habe Mitford dort gesehen.

Außerdem habe ihre Schwester in der Station gearbeitet und von Unity berichtet. Allerdings ist sich die Zeugin sicher, sie habe sich dort - zumindest offiziell - wegen eines Nervenzusammenbruchs aufgehalten.

Zur Adoption freigegeben
Die Nichte der Geburtshelferin, die Bright angerufen hatte, sagt jedoch, dass Mitford einen Buben zur Welt gebracht hat, der sogleich zur Adoption freigegeben worden sei. Brights Artikel schlug in Großbritannien ein wie eine Bombe.

Das ganze Land fragte sich, wer wohl "Hitler's love child" ("Daily Mail") ist, wenn die Geschichte stimmt. Die Medien des Landes titelten groß, neben der "Times" etwa das Boulevardblatt "The Sun": "Is Hitler's child living in Britain?"

Schwanger mit Patrone im Kopf?
Die britische Öffentlichkeit quittierte die mögliche Sensation jedoch mit einiger Skepsis. Tatsächlich spricht vieles gegen den Wahrheitsgehalt der Geschichte, wie nicht nur Bright selbst anmerkte.

Unity Mitford schoss sich 1939 aus Gram über den Kriegsbeginn in München eine Kugel in den Kopf. Sie überlebte, das Projektil konnte jedoch in Deutschland nicht entfernt werden. Deshalb wurde die junge Frau schwer behindert nach Großbritannien überstellt, wo sie dann das Kind zur Welt gebracht haben soll.

Die "Daily Mail" ließ mehrere Zeugen über den Zustand zu Wort kommen, in dem sich die Frau damals befand. Sie habe Windeln getragen und "nicht mehr bis zehn zählen können". Es sei praktisch unmöglich, dass sie dennoch schwanger gewesen sei.

"Sie war zu uninteressant"
Die "Daily Mail" gab auch frühere Aussagen zu dem alten Gerücht wieder, dass Mitford und Hitler ein intimes Verhältnis unterhalten hätten. Niemand aus dem ehemaligen Kreis rund um die Nazi-Führung habe das für möglich gehalten.

Winifred Wagner etwa, die Schwiegertochter Richard Wagners, habe einmal gesagt, dass Unity "einfach nicht interessant genug" gewesen sei. Das Mädchen habe sich vielleicht eine Heirat gewünscht. Hitler sei nett und höflich zu ihr gewesen, mehr aber auch nicht.

Auch aus anderen Quellen geht lediglich hervor, dass Hitler die quirlige junge Frau lustig gefunden und gemocht habe. Sie selbst habe ihn angehimmelt. Ihre Familie beobachtete die Freundschaft der beiden argwöhnisch, ihre fünf Schwestern nahmen sie deshalb auf die Schaufel.

Schwester: "Dorfgerücht"
Bright nahm auch Kontakt zu Deborah, der letzten Überlebenden der Mitford-Schwestern auf. Sie bezeichnete eine mögliche Schwangerschaft von Unity als Blödsinn. Bright solle nicht jedem Dorfgerücht Beachtung schenken.

Ein Zweifel bleibt
Aber so oft Bright betonte, dass an dem Gerücht wahrscheinlich nichts dran ist, endete sein Artikel dennoch im Zweifel: "Wenn Unity Mitford während des Krieges in Wigginton war, was hat sie dort in einer Geburtenstation gemacht?"

Die "Daily Mail" mutmaßte, dass, sollte Mitford überhaupt dort gewesen sein, sie vielleicht wirklich einen Nervenzusammenbruch hatte - bei ihrem Zustand leicht möglich - und von ihrer Mutter eben in die nahe gelegene Geburtenstation gebracht worden sei.

Hitlers Kind wäre heute 67 Jahre alt.

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