Mehrere tausend Randalierer steckten die US-Botschaft in Brand, die Polizei griff erst spät ein. Am späten Abend wurde in dem Gebäude eine verbrannte Leiche entdeckt.
Identität unklar
Zunächst war unklar, ob es sich bei dem Opfer um einen der Randalierer oder um einen Wächter der Botschaft handelte. Der Sprecher der US-Botschaft, William Wanlund, vermutete gegenüber CNN einen toten Demonstranten. Botschaftspersonal war laut US-Angaben beim Sturm des Gebäudes durch Demonstranten nicht mehr anwesend, auch werde niemand vermisst.
Die Polizei habe eine DNA-Analyse angeordnet, hieß es weiter. Über die Entdeckung der Leiche hatten zuvor mehrere Belgrader TV-Sender sowie CNN berichtet.
Zahlreiche Verletzte
Die Demonstranten demolierten zudem die kroatische Vertretung und beschädigten die Gebäude der kroatischen, kanadischen, türkischen, belgischen, bosnischen und deutschen Botschaften. Laut Krankenhausquellen wurden bei den Ausschreitungen 88 Personen verletzt, darunter mehrere Polizisten.
Geschäfte geplündert
Die meist jugendlichen Gewalttäter raubten ausländische Bankfilialen aus und plünderten ein Kaufhaus. Ein amerikanisches Hamburger-Restaurant wurde verwüstet und wenigstens zwei Dutzend Autos gingen in Flammen auf. Im gesamten Zentrum brannten Müllcontainer, zahlreiche Kioske wurden kurz und klein geschlagen.
Über 20 Autos brannten ebenso wie eine Straßenbahn und fünf Linienbusse. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. In Dutzenden Geschäften wurden die Schaufenster eingeschlagen und Waren wie Schuhe, Schmuck und Textilien gestohlen. Auch die Scheiben zweier Raiffeisen-Filialen wurden eingeschlagen.
Polizei ließ auf sich warten
Augenzeugen sprachen von mehreren hundert Jugendlichen, vielfach betrunkenen Demonstranten. Bei vielen Randalierern habe es sich um Hooligans gehandelt.
Spezialverbände der serbischen Polizei tauchten erst nach dem Angriff auf die US-Botschaft mit Verzögerung auf und drängten die Gewalttäter mit gepanzerten Fahrzeugen und massivem Einsatz von Tränengas in die Seitenstraßen ab. Einige Randalierer wurden festgenommen. Am späten Abend beruhigte sich die Lage, so dass die Feuerwehr neben den Bränden in und an den Botschaften auch noch rund 100 weitere kleinere Feuer löschen konnte.
Scharfe Kritik der USA
Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Zalmay Khalilzad, forderte, dass die 15 Mitglieder des Sicherheitsrates die Vorfälle klar verurteilen. "Ich bin empört über den Angriff des Mobs", sagte Khalilzad. "Die serbische Regierung ist völkerrechtlich verpflichtet, diplomatische Einrichtungen und ganz besonders Botschaften zu schützen." Der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormack, mahnte die serbische Regierung, die diplomatischen Einrichtungen der USA vor Ort angemessen zu beschützen.
Aufruf zur Ruhe
Serbien Präsident Boris Tadic, der sich - auch um der Demonstration auszuweichen - zu einem Besuch in Rumänien aufhielt, das Innenministerium und mehrere Regierungsmitglieder riefen am Abend zur Einstellung der gewaltsamen Proteste auf. Premier Vojislav Kostunica meldete sich nach dem Ausbruch der Gewalt gegen 18.00 Uhr nicht mehr zu Wort.
Europakurs in weiter Ferne?
Aleksandar Vucic, der Hauptverantwortliche für die Protestkundgebung gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, führte die gewaltsamen Proteste im Stadtzentrum auf die Berichte einzelner Medien und Politiker zurück, die "die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt" hätten. Vucic, Generalsekretär der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei, war Informationsminister während des Kosovo-Krieges und des NATO-Bombardements in den Jahren 1998 - 1999.
Andere Organisatoren hatten sich im Vorfeld der Demonstration klar für einen Gewaltverzicht ausgesprochen und vor einem weiteren Imageschaden des Landes gewarnt: Mit den Vorfällen der vergangene Tage scheint der Europakurs Serbiens fraglicher denn je.
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