Ermittlungen auf Hochtouren

Die Spekulationen über die Brandursache gehen weiter.
Vier Tage nach dem Brand mit neun Toten in einem Wohnhaus im deutschen Ludwigshafen haben die Ermittler am Donnerstag ihre Untersuchungen zur Brandursache fortgesetzt. Wenn weitere Teile des Gebäudes gesichert und begehbar seien, würden dort Spürhunde eingesetzt, sagte ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Frankenthal.

Ermittelt werde weiterhin in alle Richtungen, sagte der Sprecher. Das Feuer war am Sonntagnachmittag in dem von türkischen Familien bewohnten Haus ausgebrochen.

Erdogan macht sich eigenes Bild
Der Brand wird zunehmend zu einem Politikum. Auch die Anschuldigungen einer rassistischen Tat stehen im Raum.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan besuchte am Donnerstagnachmittag den Brandort in Ludwigshafen. Er wollte sich ein eigenes Bild von der Lage machen.

Kranz niedergelegt
Erdogan legte an dem weitgehend zerstörten Wohnhaus einen Kranz nieder. Vor dem Brandort versammelten sich weit mehr als 1.000 Menschen, die meisten von ihnen Türken.

"Stille Trauer"
Erdogan dankte den deutschen Rettungskräften für ihren Einsatz bei der Brandkatastrophe ausdrücklich. "Wenn es das große Engagement der Polizei und Feuerwehr nicht gegeben hätte, wäre der Schmerz noch größer gewesen", sagte er.

"Unsere Trauer soll eine stille Trauer sein", so Erdogan. "Unser Schmerz ist unermesslich, unsere ganze Nation trauert unermesslich." Erdogan appellierte an die Presse, nichts zu schreiben, was den Frieden zwischen den beiden Ländern zerstören könnte. "Wir sind alle Menschen. Das ist unser gemeinsamer Nenner."

Beck: In Trauer vereint
Erdogan betonte: "Natürlich ist es unser Wunsch, dass die Ermittlungen sehr sorgfältig und sehr schnell durchgeführt werden." Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sicherte Erdogan zu, dass alles für die Aufklärung der Hintergründe des Brandes getan werde.

"Das Unglück wird uns nicht auseinanderbringen. Wir sind in Trauer vereint", sagte Beck, der gemeinsam mit Erdogan den Brandort besuchte.

Aufruf zur Besonnenheit
Angesichts der Spekulationen über einen ausländerfeindlichen Hintergrund riefen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und andere führende deutsche Politiker zur Besonnenheit auf.

Mädchen sahen Mann mit Feuer
Nach dem verheerenden Brand schließen Ermittler einen Brandanschlag nicht aus. Zwei türkische Mädchen hätten den Ermittlern berichtet, einen mit Feuer hantierenden Mann am Brandort gesehen zu haben, bestätigte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch.

"Hass" an Hauswand
Außerdem sei an dem von türkischen Familien bewohnten Haus zweimal das Wort "Hass" mit SS-Runen auf die Wand geschmiert worden. Türkische Medien spekulierten unterdessen über einen möglichen fremdenfeindlichen Brandanschlag.

"Wir werden Euch verbrennen"
Türkische Medien berichteten am Donnerstag übereinstimmend, Verwandte der von dem Brand betroffenen Familie in Ludwigshafen hätten drei Tage vor dem Feuer einen anonymen Drohanruf erhalten. "Jetzt seid Ihr an der Reihe, wir werden Euch verbrennen", sagte der deutsch sprechende Anrufer demnach.

Aus Angst habe die Familie, die den Anruf erhielt, ihr Wohnhaus abgesichert. Drei Tage später sei dann das das Feuer in dem Mehrfamilienhaus ausgebrochen. Dazu sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, es werde geprüft, ob es Drohanrufe gegeben habe.

Staatsanwalt versucht zu beruhigen
"Wir können derzeit keinerlei Brandursache ausschließen", sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig. Bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wird der Brand als "Beobachtungsvorgang" eingestuft.

Es gebe aber noch keinen Hinweis darauf, dass die Bundesbehörde zuständig sein könnte, sagte eine Sprecherin.

Politiker vs. türkische Medien
Am Mittwoch wiesen die Ermittlungsbehörden und Politiker vor allem in türkischen Medien erhobene Vorwürfe gegen die Feuerwehr entschieden zurück. Deutsche Polizeigewerkschaften kritisierten die Entsendung türkischer Kollegen nach Ludwigshafen.

Feuerwehr in Schutz genommen
Böhmer rief die türkischen Medien, die über ein zweites Solingen spekuliert hatten, zu Zurückhaltung auf. In Solingen kamen 1993 bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag fünf Menschen ums leben.

Sie wies auch Vorwürfe gegen die Feuerwehr zurück; diese sei binnen weniger Minuten am Brandort gewesen. Bürgermeister Wilhelm Zeiser sagte, der erste Notruf sei um 16.22 Uhr eingegangen.

Nur zwei Minuten später seien die ersten beiden Löschzüge an Ort und Stelle gewesen, drei Minuten später seien weitere sechs Feuerwehrfahrzeuge eingetroffen. Durch den beherzten Einsatz von Polizei und Feuerwehr seien insgesamt 47 Menschen gerettet worden.

Kritik an türkischer Mitarbeit
Der Einsatz türkischer Brandexperten, die in Deutschland keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen dürfen, stieß auf Befremden.

Der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, Klaus Jansen, sagte der "Bild"-Zeitung (Donnerstag-Ausgabe): "Es war völlig berechtigt, dass sich die Türken seinerzeit eine Einmischung in den Fall Marco verbeten haben. Aber jetzt sollten sie sich auch bitte nicht in diesen Fall einmischen."

Beck unter Beschuss
Muslimische Organisationen kritisierten, die Aussage des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck, es gebe keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Anschlag, sei sehr verfrüht gewesen. Burhan Kesici, Generalsekretär des Islamrates, sagte dem "Münchner Merkur" (Donnerstag-Ausgabe).

"Alle hoffen, dass es kein Brandanschlag war, weil das die Situation in Deutschland verändern und zu einer Eskalation führen würde."

Beck: Nicht weiter Vorurteile schüren
Beck wies die Vorwürfe zurück. Er warnte vor einer Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses, sollten Unsicherheiten geschürt werden und Verdächtigungen aufkommen. Überhaupt nicht akzeptabel sei die Kritik türkischer Medien an den Feuerwehrleuten, die bei dem Einsatz am Sonntag ihr Leben riskiert hätten, sagte der SPD-Vorsitzende am Donnerstag in Mainz.

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