Daheim bei "Kusto"

Wenn Filmfestivals nur noch Modenschauen sind, macht man sie sich am besten selbst. Meint Emir Kusturica.
"Was ich nach dem Film 'Underground' verstanden habe: Die Welt kann ich nicht ändern, aber ich kann etwas auf ihr bewirken": Emir Kusturica, zweifacher Gewinner der Goldenen Palme und des Goldenen Löwen, wollte mit seinem ersten Filmfestival in Drvengrad im Westen Serbiens auf die Kraft und Wichtigkeit der Filmautoren aufmerksam machen.

©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
Der 53-jährige Festivaldirektor Kusturica versammelte im Jänner junge Regietalente und Filmgrößen wie Nikita Michalkow, Fatih Akin, Cristian Mungiu, Michael Redford und andere und ließ sie, wie das Motto lautete, "diskutieren und voneinander lernen".

"Stirb Langsam 4" begraben
Symbolisch wurde das Festival mit dem Begräbnis des Actionstreifens "Stirb Langsam 4" eröffnet: Das "Ende des schlechten Films" wollte man mit diesem Trauerzug einläuten. Und natürlich spielte wie immer bei Kusturica eine ordentliche Musi - in diesem Fall das No Smoking Orchestra und die Gruppe Die Quelle.

©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
Ob Bruce Willis mit dem Begräbnis seiner Rolle einverstanden sei, ist laut Kusturica weniger wichtig. "Er ist zu groß, um sich darum zu kümmern, was hier stattfindet", so der Festivaldirektor lächelnd.

Wichtiger sei, dass "das die Richtung, in die das Festival in Zukunft gehen wird, darstellen soll".

Künstler im Mittelpunkt
©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
Auf großen Festivals seien "Auftritte von Mannequins wichtiger als Autoren und Parfumflaschen wichtiger als die Schauspieler - die sind auch schlimmstenfalls die Werbeträger dieser". Das musste bei seinem Festival anders sein: "Kein roter Teppich und keine einzige Werbung sind hier zu sehen."

Künstlich geschaffenes Dorf
Drvengrad bzw. "Küstendorf" oder "Kustendorf" wurde von Kusturica, der ja den Spitznamen "Kusto" trägt, selbst geplant. Die Häuser sind um die hundert Jahre alt und typisch für diese Gegend. Alle wurden aus nahe gelegenen Dörfern nach Drvengrad transportiert und neu aufgestellt - teilweise dienen die verpflanzten und renovierten Häuser nun als Hotel.

©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
Kusturica will alte Tradition mit der Gegenwart verschmelzen: Das Gelände umfasst zwei Kinos, eine Bibliothek, eine Galerie, eine Kirche, ein Restaurant und Cafe sowie Kusturicas Wohnhaus. Dort hat sich der Regiemeister auch ein ordentliches Schwimmbad hingebaut - und wenn hoher Besuch nach Serbien kommt, etwa einst Bundespräsident Heinz Fischer, dann ist mittlerweile ein Abstecher nach Drvengrad so etwas wie die jüngste Gästeattraktion.

Drvengrad ist mittlerweile von der UNESCO geschützt, liegt fünf Kilometer von der Grenze zu Bosnien-Herzegowina entfernt und ist Teil des Naturparks Mokra Gora. Visegrad, wo einst der Nobelpreisträger Ivo Andric sein berühmtes Buch "Die Brücke an der Drina" schrieb, ist die nächstgelegene Stadt.

Anerkennung durch Politik
Das Musik- und Filmfestival wurde von Serbiens Ministerpräsident Vojislav Kostunica mit lobenden Worten eröffnet und von der serbischen Regierung mit sieben Millionen Dinar (ca. 80.000 Euro) teilfinanziert.

©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
In abschließenden Worten gab der serbische Vizeministerpräsident Bozidar Djelic bekannt, dass dem Filmzentrum Serbiens, dessen Vorstand Kusturica ist, ein Budget von 300 Millionen Dinar (3,7 Mio. Euro) in diesem Jahr zustehen wird, "weil die Filmlandschaft Serbiens stetig am Wachsen ist".

Wettbewerb um das Goldene Ei
Hauptpreis des Festivals ist das Goldene Ei: Mehr als 30 Studenten und Absolventen von Filmakademien in Italien, der Slowakei, Polen, Tschechien, Griechenland, Russland, England, den USA, Kuba, Spanien, Frankreich und Serbien bewarben sich um den skurril anmutenden Preis.

"Den ersten Schritt beginnen wir mit denjenigen, die ihre Karriere erst starten", gab Kusturica das Motto für die Preisvergabe aus.

Das Goldene Ei ging an Jose E. Iglesias-Vigil aus Spanien, der an der polnischen Filmhochschule Lodz, wo einst Roman Polanski studierte, seinen Abschluss machte. Sein 2006 fertiggestellter 17-Minuten-Film "In Between" konnte die Jury überzeugen.

Das Silberne Ei gewann der britische Architekt und Jungregisseur Martin Hampton für die Dokumentation "Possessed", das Bronzene Ei Franco Lolli aus Kolumbien, der an der französischen Filmakademie La Femis studiert hat.

Handke als Jurypräsident
©Bild: ORF/dali
©Bild: ORF/dali
Jurypräsident des Wettbewerbs war Peter Handke.
"Das ist ein feierlicher Moment aufgrund all der Filme, die wir sahen. Vielleicht gibt es nichts Neues unter der Sonne, aber es gibt neue Möglichkeiten, Varianten, neue Schatten, neue Lichter, Ecken und Rhythmen. Danke allen jungen Filmschaffenden oder besser gesagt den Beobachtern der Menschen und der Wolken und der Straßen der ganzen Welt", lobte Handke die Arbeiten der jungen Filmemacher.

Nächstes Jahr sollen sich laut Kusturica in Drvengrad fünf asiatische, fünf euro-amerikanische und fünf afrikanische Filme messen. Dann könnte es sein, dass sich mehr Medienleute unter die Filmemacher mischen. Der erste Wettbewerb ums Goldene Ei war jedenfalls eine große familiäre Veranstaltung - ein bisschen Underground im Bauernhaus.

Dalibor Manjic, ORF.at

Links: