Immendorffs Tafelrunde

Das Essl Musuem lässt ab Freitag Immendorff samt Affen los.
Bei Jörg Immendorff ist gerne der Affe los. Schon im Fall des Kanzlerporträts von Gerhard Schröder, das ein schon schwer von der Nervenkrankheit ALS gezeichneter Immendorff mit Hilfe seiner Assistenten arrangierte, lugten die Affen hinter dem güldenen Politikerbild hervor - ein Umstand, der in der Boulevard-Presse genüsslich zerpflückt wurde.

Wenn nun das Essl Museum Immendorff ein posthumes "Abschiedsgeschenk" mit einer prominenten Werkschau ("Jörg Immendorff - Was Malerei bedeuten kann") macht, dann taucht an manchem Eck der Leinwand erneut der Affe auf. So auch beim Großtableau zur Serie "In meinem Salon ist Österreich" aus den Jahren 1995 bis 1997, das im Zentrum der Ausstellung steht.

Werkblock mit Österreich-Bezug
Immendorff, so erläuterte Museumsgründer Karlheinz Essl, habe selbst die Idee zu einem großen Österreich-Bild gehabt, für das man "gerne den Auftrag" gegeben habe. Knapp vor seinem Tod vermachte Immendorff der Sammlung Essl die Entwürfe zu dem Großtableau, so dass nun ein einheitlicher Werkblock zu sehen ist, der auch Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers ermöglicht.

©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
Die Entwürfe lesen sich teils wie ein ironischer Kommentar von außen auf Befindlichkeit und Zusammensetzung der heimischen Kunstlandschaft. In Immendorffs Skizzen wird zu- und angespitzt und gerne auch übertrieben. Und immer wieder ist eben auch der Affe zugegen.

©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
Der Affe auf dem Sessel
Im Österreich-Tableau hat der Affe auf dem Sessel der Sammlergattin Agnes Essl Platz genommen. Der Affe sei so etwas wie ein zweites Ich des Künstlers, erläutert der deutsche Kunsthistoriker und Immendorff-Kenner Tayfun Belgin die Hintergründe dieser zentralen Symbolfigur im Werk des Malers.

"Der Affe erscheint auf meinem Rücken sitzend, und vor mir ist das Bild, das ich male, das er angreift und dann etwas anderes malt oder mich bemalt", so Immendorff selbst über die Beziehung zu seinem Symboltier.

Der Affe, so Belgin, sei eine "Instanz, die den Künstler immer auf neue antreibt". Zugleich stehe das Tier für die Widersprüche der Künstlerexistenz - auf der einen Seite die Überzeugung, auf der anderen die Selbstzweifel.

Der Künstler mit im Bild
Durch den Affen sitzt der Künstler mit im Bild - als Erschaffender des Werks, zugleich aber als Betrachtender - möglicherweise ähnlich wie die zwei Figuren in Van Eycks "Rolin-Madonna", die im Hintergrund des Bildes in die Tiefe der Landschaft schauen.

©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
Im Fall von Immendorffs Österreich-Tableau erblickt der Affe eine bunte Mischung von Kunstgestalten, die sich neben der Familie des Auftraggebers (auch hier ist Immendorff im kunsthistorischen Sinn sehr traditionsbewusst) um einen Tisch arrangiert hat. Im Zentrum kniet etwa Arnulf Rainer, der bei Immendorff optisch fast zu einem Nachfolger von Andreas Hofer mutiert ist. Maria Lassnig sitzt mit einem eigenen Bild in der Hand neben Agnes Essl, die in Anspielung auf Berta Zuckerkandl in den Salon geladen hat. Neben Lassnig sieht man Christian-Ludwig Attersee am Tisch platziert, einen Platz weiter Hermann Nitsch.

Hinter Nitsch macht sich Otto Mühl an den Blumen zu schaffen, ein Umstand, der an der anderen Seite des Tischs nicht so große Aufmerksamkeit nach sich zieht: Dort sitzt Sammler Karlheinz Essl zwischen Franz Ringel und einem Künstler, zu dem Immendorff starke innere Bezüge hatte: Günter Brus.

Thomas Bernhard als Komtur
In die Immendorff'sche Künstlerszenerie haben es nur zwei Dichter an den Tisch geschafft: H. C. Artmann in der Mitte - und Thomas Bernhard. Letzterem hat Immendorff einen eigenwilligen Platz zugedacht: Bernhard steht als steinerner Gast unter der rechten Ecke des Tischs.

Bernhard und dem Affen kommt eine Sonderrolle an dieser Tafelrunde zu. Bernhard als Komtur blickt finster von der Kunst weg, der Affe schaut auch über die Tafelrunde hinweg in die Landschaft des rechten Bildhintergrundes, die einen babylonischen Turm inmitten eines Stadtplatzes zeigt.

Immendorff hat dieses große Bild öffentlich nie kommentiert - es entspricht aber, trotz der reichen Symbolik, der Direktheit von Immendorffs Kunst, dass jeder Betrachter rasch eigene Bezüge zum Werk und dessen Pointen herstellen kann.

©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
©Bild: Sammlung Essl Privatstiftung
"Kein Künstler für den Smalltalk"
"Immendorff war kein Künstler für den Smalltalk, niemand der Kunst als ein Nebenprodukt der Gesellschaft ansah", erinnert Belgin zum Auftakt der Schau: "Er war jemand, der seine Visionen in die Welt bringen wollte." Dass er zu einem der zentralen Anreger der jüngeren gegenständlichen Malerei in Deutschland wurde, hat für Belgin viel mit einer Grundhaltung Immendorffs zu tun.

"Man muss radikal gegen sich selbst sein", hatte Immendorff knapp vor seinem Tod gegenüber dem Kunstmagazin "monopol" gesagt. Diese Haltung, so Belgin, sei die Grundlage für die große Intensität des Werkes. Die Haltung, nur überleben zu können, wenn man radikal gegen sich selbst sei, werde von den jungen deutschen Gegenwartsmalern am ehesten von Jonathan Meese verkörpert.

Der Sprung vom 1945 geborenen Immendorff zu Meese, Jahrgang 1970, ist im Essl-Museum ein kleiner - denn Meeses Konzeptarbeit "Fräulein Atlantis" ist bis zum 3. Februar noch in der Rotunde und im Obergeschoss des Hauses zu sehen.

"Wir wollen die Asche tragen"
"Wir löschen immer das Feuer, wir wollen die Asche tragen, weil wir glauben, sie sei leichter. Wir haben auch Angst, dass wir selbst das Feuer verlieren könnten, aber das stimmt ja nicht. Wie bei Immendorff: Das Feuer ist erloschen, aber er hat im richtigen Zeitpunkt die Fackel weitergegeben", meinte Meese im Juli des Vorjahres. Immendorf war zu diesem Zeitpunkt seit zwei Monaten tot.

Die 70 in der Sammlung Essl gezeigten Immendorf-Werke umspannen neben dem Österreich-Werkblock Arbeiten früherer Perioden des Malers. Zu sehen sind aber auch eindrückliche Kompositionen aus den Jahren knapp vor Immendorffs Tod. Immendorff war in dieser Phase so sehr von seiner Krankheit gezeichnet, dass er den Pinsel nicht mehr selbst führen konnte.

Mit präzisen Anweisungen dirigierte er zwei Assistenten, die Immendorffs Vorstellungen auf die Leinwand bannten: Der ausgebildete Bühnenmaler Immendorff musste nun die Genese seines eigenen Werks wie ein Regisseur dirigieren. Mitunter kommen im gezeigten Spätwerk Immendorffs sogar stilistische Bezüge zum Werk von Sigmar Polke auf.

Gezeichnet sind diese Bilder nicht mehr mit dem Namen Immendorf. Nur noch die Sigle "ff" steht mit der Jahreszahl am Rand der Bilder. Man mag darin das Ende des Namens Immendorff erkennen - vielleicht aber auch das Kürzel dafür, dass Fortsetzungen folgen könnten.

Gerald Heidegger, ORF.at

Hinweis
Mit Schau "Jörg Immendorff - Was uns Malerei bedeuten kann" (24.1. - 20.4.2008) leitet das Essl Museum einen großen Malerei-Schwerpunkt ein: Ab Februar folgen "Günther Förg. Back and Forth" (22.2. bis 25.5.) und "Von Baselitz bis Lassnig - Meisterhafte Bilder" (22.2. bis 1.6.) mit Werken von Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Maria Lassnig, Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Arnulf Rainer und Gerhard Richter.

Bis 3. Februar läuft noch "Jonathan Meese - Fräulein Atlantis".

Als neues Service für Besucher hat das Museum einen Gratis-Shuttlebus von der Wiener Innenstadt zum Essl-Museum eingerichtet. Der Bus fährt am Albertina-Platz 2 (Cafe Mozart), dienstags bis sonntags um 10.00, 12.00, 14.00 und 16.00 Uhr ab.

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