Singen statt summen

Eine Hymne zum Mitsingen.
247 Jahre lang hatte die spanische Nationalhymne keinen Text und konnte höchstens gesummt werden. Nun stehen vier Strophen fest. Eine Jury wählte den Text aus Tausenden Einsendungen aus, vermeldeten spanische Medien am Freitag.

Die auch als "Königsmarsch" bekannte Hymne beginnt demnach nun mit den Worten "Viva Espana!" (Es lebe Spanien). Spanien ist eines der wenigen Länder der Welt, deren Nationalhymne keinen Text hat.

"Für Bürger, die U-Bahn fahren"
Als Autor wurde ein 52 Jahre alter Arbeitsloser vorgestellt. "Den Text habe ich für die gewöhnlichen Bürger geschrieben, die wie ich U-Bahn fahren", sagte Paulino Cubero, der sich selbst als "Verlierer" bezeichnete.

Die Initiative war vom Nationalen Olympischen Komitee ausgegangen. Es wollte spanischen Sportlern endlich die Möglichkeit geben, die im Jahre 1761 von Manuel Espinosa komponierte Melodie auch zu singen. Auch die spanischen Fußball-Nationalspieler forderten in der Vergangenheit mehrfach einen eigenen Text zum Mitsingen.

Zusammen mit der Autorenvereinigung SGAE wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, mehr als 7.000 Vorschläge gingen ein.

Freiheit, Demokratie, Vaterlandsliebe
"Lasst uns alle gemeinsam singen, mit unterschiedlicher Stimme, aber einem einzigen Herzen", heißt es da, wie die Tageszeitung "ABC" berichtete. Die Zeile sei als Hinweis auf die Pluralität eines Landes zu verstehen, in dem Basken, Katalanen oder Galicier auf größere Eigenständigkeit drängen.

Der Text behandle außerdem klassische Themen wie Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden und Vaterlandsliebe, so "ABC".

"Erinnert an Franco-Diktatur"
In der Presse wurde der Vorwurf laut, die Strophen glichen einem inoffiziellen Hymnentext, den der Komponist Jose Maraa Peman 1927 für den damaligen Diktator Miguel Primo de Rivera geschrieben hatte. Dieser Text wurde in abgewandelter Form später auch von der Franco-Diktatur benutzt.

Auch die politische Linke fühlt sich angesichts der Strophen an die Zeit der Franco-Diktatur erinnert. "Für mich klingt der Text völlig altertümlich", kritisierte Ex-Kulturministerin Carmen Calvo. "Mit den Werten eines Staates im 21. Jahrhundert hat er nichts gemein", ergänzte die Sozialistin und stellvertretende Parlamentspräsidentin.

"Ranzig"
Für das Parteienbündnis Vereinte Linke (IU), dem auch die Kommunisten angehören, ist der Text schlichtweg "ranzig". "Das klingt nach einem Bolero aus dem alten Spanien", meinte IU-Chef Gaspar Llamazares.

Auch die konservative Opposition distanzierte sich von den vier ausgesuchten Strophen.

Zum Scheitern verurteilt
In der Bevölkerung stieß der als banal und veraltet kritisierte Text ebenfalls auf wenig Begeisterung. In Internet-Umfragen sprachen sich bis zu drei Viertel der Teilnehmer gegen die gewählte Version aus.

Spaniens größte Sportzeitung "Marca" nannte den Hymnentext eine "Totgeburt". Er sei zum Scheitern verurteilt.

Domingo soll als Erster singen
Die Zeitung "El Mundo" forderte, die offizielle Vorstellung des Textes abzusagen. Bisher ist geplant, dass der spanische Startenor Placido Domingo die Hymne am 21. Jänner auf einer Sportgala des Nationalen Olympischen Komitees in Madrid erstmals öffentlich singt.

Dabei soll auch eine CD aufgenommen werden. Der 66-jährige Sänger und das olympische Komitee würden sich lächerlich machen, meinte das Blatt.

Die Initiatoren hatten zuvor eine Unterschriftensammlung angekündigt, durch die erreicht werden soll, dass der Text künftig auch für alle offiziellen Anlässe gilt. Damit das gelingt, müssen die Initiatoren zunächst eine Petition mit einer halben Million Unterschriften an das Parlament richten.

Symbol des spanischen Zentralstaats?
Ob das spanische Parlament allerdings die neue Textversion akzeptieren wird, scheint nicht nur angesichts des schon jetzt entbrannten Zwists fraglich.

Im März kommenden Jahres stehen Wahlen an und gerade nationalistische Regionalparteien im Baskenland und in Katalonien könnten sich vor den Wählern gegen ein neues Symbol des spanischen Zentralstaates stark machen.

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