Nun auch Streit in München

Rücktrittsforderung der SPD, scharfe Kritik von Grünen und FDP.
Der Streit über jugendliche Straftäter wird in Deutschland immer erbitterter geführt. Insbesondere der harte Kurs der CDU gegen Straftäter ausländischer Herkunft im Wahlkampf für die Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen Ende Jänner sorgt beim Berliner Koalitionspartner SPD für Gegenwehr.

Nun wirbt der CSU-Kandidat für die Münchner Oberbürgermeister-Wahl, Josef Schmid, mit Bildern der Attacke zweier Jugendlicher auf einen Pensionisten in der U-Bahn. Die SPD spricht von einem "Tiefpunkt der politischen Kultur", die Grünen gar von einem der "widerwärtigsten Wahlplakate".

"Damit Sie nicht der Nächste sind"
Auf dem Plakat zu den bayrischen Kommunalwahlen Anfang März ist unter der Überschrift "Was zählt ist Münchens Sicherheit - Keine Nachsicht mit Gewalttätern" ein Bild von der Überwachungskamera zu sehen, auf dem einer der beiden Täter zum Tritt gegen sein am Boden kauerndes Opfer ausholt. Im geweißten Umriss des Opfers ist der Satz "Damit Sie nicht der Nächste sind" zu lesen.

Der Überfall eines 17-jährigen Griechen und eines 20-jährigen Türken auf den 76-jährigen Pensionisten vor drei Wochen in der Münchner U-Bahn hatte die aktuelle Debatte um den Umgang mit jugendlichen Straftätern ausgelöst.

Opfer ausgeblendet
Bei der Vorstellung des Plakats am Mittwoch hatte die CSU erklärt, sie sehe sich wegen der "sich häufenden Gewalttaten Jugendlicher in den Münchner öffentlichen Verkehrsmitteln" in ihrer Überlegung gestärkt, das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Auf den gezeigten Aufnahmen einer U-Bahn-Überwachungskamera sei nur der Täter zu sehen, das Opfer sei "selbstverständlich im Bild ausgeblendet".

"Versuch, Angst zu machen"
Bürgermeister Christian Ude (SPD) kritisierte die Kampagne als unterschwellig fremdenfeindlich. Das Plakat bringe eine Brutalisierung des Wahlkampfs und "schürt Emotionen, die dann die ganze Bevölkerungsgruppe auszuhalten hat, gegen die da latent Stimmung gemacht wird", sagte der SPD-Politiker zu Reuters TV.

Das Plakatmotiv sei eine unverantwortlichen Reaktion und ein "Tiefpunkt der politischen Kultur". Bayerns SPD-Fraktionschef Franz Maget sagte, es handle sich um den offensichtlichen Versuch, Angst zu machen und eine Panikstimmung auszunutzen.

Adelheid Rupp, Vizechefin der bayerischen SPD, forderte Schmid gar zum Rücktritt auf. Es sei "eine üble Verhöhnung des Opfers, wenn der brutale Überfall in dieser Manier für Wahlkampfzwecke instrumentalisiert und missbraucht wird".

Schmid verteidigt Plakat
Schmid selbst verteidigte die Aktion. Das Plakat richte sich generell gegen Nachsicht gegenüber Gewalttätern gleich welcher Herkunft. "Die Tatsache, dass es bei dem dargestellten Übergriff ausländische Straftäter waren, haben diese ausländischen Straftäter selbst zu verantworten", sagte der 38-Jährige, dem bei der Wahl gegen Amtsinhaber Ude nur geringe Chancen eingeräumt werden.

Gegenüber Spiegel online meinte er, "die Medien veröffentlichen seit fast drei Wochen täglich dieses oder ein ähnliches Bild". Journalisten seien ihren Lesern verpflichtet, er fühle sich den Münchner Bürgern verpflichtet.

Nicht der erste Fehltritt Schmids
Ude erinnerte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" zudem an das "Terrorzellen"-Plakat aus dem Wahlkampf 2001: Darauf hatte die CSU der Stadt München vorgeworfen, Terrorverdächtigen die Miete zu zahlen. Bürgermeisterkandidat Aribert Wolf musste daraufhin - auch nach heftiger Kritik aus der eigenen Partei - von seiner Kandidatur zurückgetreten.

Und auch Schmid selbst ist nicht unumstritten: Beim CSU-Parteitag im September hatte er gemeint, Ude sei "wie die Laus in der Mähne des bayerischen Löwen. Es ist höchste Zeit, dass wir mit der Entlausung des bayerischen Löwen beginnen". Schmid musste sich nach scharfen Protesten entschuldigen. Er habe einen Scherz machen wollen, der aber verunglückt sei, sagte er. Parallelen zu Ungeziefer oder gar zur NS-Zeit habe er niemals im Sinn gehabt.

Kritik auch von Grünen und FDP
Nicht nur die SPD kritisiert nun das Plakat: Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, sprach in einem Brief an Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und den CSU-Vorsitzenden Erwin Huber von einem "der unanständigsten und widerwärtigsten Wahlplakate", das sie von einer demokratischen Partei bisher gesehen habe.

Die CSU kämpfe um "die Hoheit über den Stammtischen", erklärte die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in München. Das Plakat komme einer "Selbstanzeige" gleich, da die CSU seit Jahrzehnten uneingeschränkt die Verantwortung für die innere Sicherheit im Freistaat trage. Die Partei sei damit auch für "den dramatischen Stellenabbau" bei Polizei und Präventionsarbeit verantwortlich.

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