Schwaiger suchte den nach Spanien geflüchteten ehemaligen Waffen-SS-Offizier Paul Maria Hafner in Madrid auf und führte im Gespräch mit ihm die Banalität des Bösen vor Augen. Der dabei entstandene Dokumentarfilm wurde bei internationalen Filmfestivals bereits bejubelt. Jetzt kommt "Hafners Paradies" regulär ins Kino.
In Francos Spanien untergetaucht
Mehr als ein Jahr lang begleitete Schwaiger den 84-jährigen Hafner. Entstanden ist ein 72-minütiges Porträt eines Mannes, der wie zahllose NS-Schergen nach Kriegsende in Francos Spanien untertauchte und dort noch heute unbehelligt seiner Ideologie nachhängen kann.
Hafner inszeniert sich vor der Kamera selbst, hebt immer wieder gerne die Hand zum Hitlergruß, zitiert aus "Mein Kampf", bezeichnet den "Führer" als den "wichtigsten und vernünftigsten Menschen der Weltgeschichte", nennt Konzentrationslager "Zehnsternehotels", in die Juden "nur zu ihrem Schutz" gebracht wurden.
"Muss Nazis und ihr Denken untersuchen"
Die mancherorts geäußerte Kritik, er habe durch seine wenig aggressive Art einem Nazi ein Sprachrohr gegeben, versteht Schwaiger. Recht gibt er seinen Kritikern aber nicht. "Vor allem in Deutschland und Österreich haben wir immer noch Angst vor uns selber", sagt der Regisseur.
"Wir sind einfach so erzogen worden, dass an einem Nazi nichts Gutes oder Menschliches dargestellt werden darf. Doch wie man heute Verbrecher psychologisch analysiert und nicht nur wegsperrt, muss man auch die Nazis und ihr Denken untersuchen, damit sie nicht einfach zu einer sterilen Figur der Geschichte werden."
"Zeit, einen Schritt weiter zu gehen"
Die meisten Dokumentarfilme über Nazis kämen Gerichtsverhandlungen nahe, wo der Regisseur der Richter und die Zuschauer die Zeugen seien, meint Schwaiger.
Er habe einen anderen Ansatz gehabt: "Es ist die Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Ich gehe davon aus, dass unsere Gesellschaft weiß, was der Nazi darstellt und symbolisiert. Wenn ich heute einem Nazi das Wort gebe und befürchten muss, die Bevölkerung fällt auf seine Lügen rein, dann müssen wir grundsätzlich die antifaschistische Aufklärungsarbeit der letzten 60 Jahre überdenken."
Postkarte an Honsik
Schwaiger fällt es aber sichtlich nicht immer leicht, sich als Regisseur nur mit seinen Bildern von Hafners Aussagen zu distanzieren. Als "Gegengewicht" baut er sich selbst aus dem Off in den Film ein.
Wenn Hafner seine Gesinnungsgenossen an der spanischen Küste besuchen will (diese reagieren auf seine Anrufe nicht oder haben vorgeblich keine Zeit) und von dort eine Postkarte an den mittlerweile ausgelieferten Holocaust-Leugner Gerd Honsik schreibt, macht Schwaiger strikt klar, dass er nicht mitunterschreiben will.
Und er versucht immer mehr, den "netten alten Mann", als der der ehemalige Schweinezüchter und Erfinder zu Beginn erscheint, mit dessen Vergangenheit zu konfrontieren.
Theoriengebäude wackelt
Das hat durchaus überraschende Auswirkungen: Wenn Hafner Bilder von KZ-Toten ansieht und dem ehemaligen Dachau-Häftling Hans Landauer gegenübersitzt, fällt ihm das Sprechen plötzlich schwerer, bricht eine Nervenkrankheit durch.
Sein Theoriengebäude wackelt, die Träume vom "Vierten Reich" scheinen zu bröckeln - den stumpfen und ignoranten Antworten, auf die Hafner sein Leben lang gebaut hat, ist kurzerhand der Boden entzogen worden.
Heißes Thema in Spanien
In Spanien, wo Schwaiger seit einigen Jahren lebt und zuletzt eine Doku über ein unaufgearbeitetes Kapitel der Franco-Ära drehte, ist das Thema derzeit besonders aktuell.
Das Verfassungsgericht hat gerade entschieden, dass Holocaust-Leugner künftig nicht mehr mit einer Haftstrafe rechnen müssen. Die Äußerung von Zweifeln müsse unter die Meinungsfreiheit fallen, eine Strafe - bisher waren bis zu zwei Jahre möglich - wäre demnach verfassungswidrig.
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