Selbstfindung im Zug

Owen Wilson, Adrien Brody und Jason Schwartzman reisen mit elf ockerfarbenen Koffern durch ein Fantasie-Indien.
Mit verkorksten Familien beschäftigt sich Wes Anderson offenbar am liebsten: Schon mit "Die Royal Tenenbaums" thematisierte der Regisseur kaputte Eltern-Kinder-Beziehungen, in "Die Tiefseetaucher" ließ er Bill Murray als Meeresforscher und unfähigen Vater unter Wasser gehen.

In "Darjeeling Limited" dreht sich nun alles um die komplizierten Bande zwischen drei Brüdern. Mit visuell überbordenden und bunt ausgeschmückten Bildern hat Anderson das als bizarr-warmherzigen Eisenbahntrip durch Indien inszeniert. Die Hollywood-Stars Owen Wilson, Adrien Brody und Jason Schwartzman übernahmen die Hauptrollen.

Ungleiche Brüder
Sie spielen drei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Peter, Francis und Jack Whitman haben nicht nur optisch nichts gemeinsam, auch ansonsten trennen sie Welten.

Dennoch gehen sie in "Darjeeling Limited" ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters zusammen auf eine Reise, um ihre Mutter und sich selbst zu finden. Im Handgepäck haben sie einen Drucker, ein Laminiergerät und elf ockerfarben angemalte Louis-Vuitton-Koffer ihres Vaters.

Reibereien im Zug
Hauptschauplatz ist der titelgebende Zug Darjeeling Limited, in dem die drei Brüder während ihrer spirituellen Tour durch den indischen Subkontinent und zu ihrer Mutter (Anjelica Huston) wohnen.

Ohne Reibereien geht das - wie schon bei den "Royal Tenenbaums" - nicht, und schließlich fliegen die Brüder aus dem Darjeeling Limited.

Selbstmordversuch und gescheiterte Liebe
Der älteste Whitman-Spross ist der übel zugerichtete Francis, der wie Darsteller Wilson vor einigen Monaten in der Realität einen Selbstmordversuch nur durch Glück überlebte. Francis übernimmt nicht nur die Planung der Reise, sondern auch gleich die Essensbestellungen für seine beiden jüngeren Brüder.

Peter (Brody) hingegen klemmt sich mit seinen viel zu langen Beinen auf die kurze Schlafliege und versucht, mit dem Trip die bevorstehende Geburt seines ersten Kindes zu verdrängen.

Und der schnurrbärtige Jack (Schwartzman) lenkt sich mit einer hübschen Zugsbegleiterin von seiner gescheiterten Liebe in der Heimat ab.

Vorfilm mit Oscar-Chancen?
Die melancholische Vorgeschichte erfährt man in "Hotel Chevalier" mit Natalie Portman. Dieser ebenfalls von Anderson inszenierte 13-Minüter, der ursprünglich als Gratis-Download bei iTunes angeboten wurde, wird inzwischen als Vorfilm bei den "Darjeeling Limited"-Aufführungen gezeigt. Anderson, wird gemunkelt, rechnet sich Chancen auf einen Kurzfilm-Oscar aus.

Fad oder warmherzig?
Für beide neuen Arbeiten gilt allerdings dasselbe wie schon für Andersons frühere Filme: Sie polarisieren.

Für die "New York Post" etwa ist der vermeintliche Luxuszug "Darjeeling Limited" ein "Bummelzug nach Fadhausen": "Man weiß, dass ein Film in Schwierigkeiten steckt, wenn das Interessanteste an ihm das Gepäck ist." Das Internet-Magazin Salon.com spricht hingegen von Andersons warmherzigstem Film und davon, dass der Vorfilm "Hotel Chevalier" nahezu perfekt sei.

Bewusst künstlich
Anderson hat sein Rezept je nach Ansicht über die Jahre hinweg verfeinert oder längst schon überstrapaziert: "Realistische" Charakterzeichnung stellt er hintan, dafür setzt er auf bewusste Künstlichkeit, opulente Bilder und eine Fülle an bizarren Einfällen - und ist gerade so auf angenehm unkonventionelle Weise unterhaltsam.

Das ist besonders dem Drehbuch zu verdanken, das Anderson zusammen mit Sophia Coppolas Bruder Roman und Schauspieler Schwartzman auf einer gemeinsamen Reise durch Indien schrieb.

Ohne Kontrolle
Das Land - oder eigentlich die gewollt klischeehafte Nostalgieversion davon - erweist sich dabei als perfekter Schauplatz für die schrägen Ideen des Drehbuch-Trios.

Bunte Tempel, opulente Religionsrituale, geschäftstüchtige Schuhputzerburschen, aufdringliche Rikschafahrer und Kühe mitten auf jeder Hauptverkehrsstraße verstärken das Gefühl der drei Brüder, das eigene Leben nicht unter Kontrolle zu haben - ein Eindruck, der sich am Ende zum Glück nicht auf den Film überträgt.

Links: