Die Ursprünge der Weihnachtsklassiker

Von "O du fröhliche" bis "Last Christmas".
Die Geschichte vom Hilfspriester Joseph Mohr, dem Schullehrer Franz Xaver Gruber und ihrer Schöpfung "Stille Nacht, heilige Nacht" ist heute fast so bekannt wie das weltweit wohl populärste Weihnachtslied selbst.

Doch auch bei einem Blick auf die Entstehung vieler anderer beliebter Weihnachtslieder stößt man auf Überraschungen. Mit "O du fröhliche" etwa wurde ursprünglich nicht nur die "gnadenbringende Weihnachtszeit" besungen, sondern auch Ostern und Pfingsten.

Drei Feste
"Welt lag in Banden, Christ ist erstanden,/freue, freue dich, o Christenheit", dichtete der Theologe Johannes Daniel Falk 1816 in der Ursprungsfassung. Für Falk, der vier seiner sieben Kinder durch Typhus verloren und im Anschluss in Weimar ein "Rettungshaus" für Kinder gegründet hatte, war "O du fröhliche" ein Allerdreifeiertagslied für die wichtigsten Feste des Christentums.

Die heute bekannte Version mit zwei zusätzlichen Weihnachtsstrophen entstand erst 1829. Den abgewandelten Text schrieb Heinrich Holzschuher, ein Mitarbeiter Falks.

"Ein Ros" in vielen Variationen
Eines der ältesten kirchlichen Weihnachtslieder ist "Es ist ein Ros entsprungen". Die Melodie stammt aus dem 16. Jahrhundert, der Text, der sich auf eine Stelle im Buch Jesaja bezieht, hat sich im Verlauf der Jahrhunderte mehrmals geändert.

Unter anderem dichtete Friedrich Layritz 1844 drei zusätzliche Strophen als Ergänzung zu den zwei ursprünglichen, und es gibt verschiedene Fassungen der zweiten Strophe.

In der katholischen Version entpuppt sich das "Röslein" aus der ersten Strophe als Jungfrau Maria, in der evangelischen als Jesus - in den lutherischen Kirchen spielt die Marienverehrung kaum eine Rolle.

Der Stallknecht und sein Tannenbaum
"O Tannenbaum" kann eine ähnlich komplexe Geschichte aufweisen. Sowohl Text als auch Melodie gehen - allerdings unabhängig voneinander - auf Volkslieder aus dem 16. Jahrhundert zurück.

Aus dieser Zeit stammt etwa das schlesische Volkslied "Ach Tannenbaum", und im ebenfalls damals beliebten Lied "Es hing ein Stallknecht seinen Zaum" gibt es eine Strophe über das "edle Tannenbäumelein", das noch grünt, "wenn alle Bäume dürre sein".

Tragische Liebe
Auch die Melodie stammt aus dem 16. Jahrhundert; die bekannte Volksweise wurde mit verschiedensten Texten gesungen, zum Beispiel als "Es lebe hoch der Zimmermannsgeselle".

1819 führte der deutsche Prediger und Lehrer Joachim August Zarnack die beiden Elemente zusammen - doch bei ihm war "O Tannenbaum" ein tragisches Liebeslied. Dem immergrünen, beständigen Nadelbaum stellte Zarnack eine untreue Geliebte gegenüber: "O Mägdelein, o Mägdelein, wie falsch ist dein Gemüte".

Erst fünf Jahre später erhielt das Lied den heute bekannten Text. Der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz schrieb eine neue zweite und dritte Strophe und münzte "O Tannenbaum" so zur heute bekannten Ode an den geschmückten Weihnachtsbaum um.

Der schöne Sonnenuntergang
Große Tradition hat auch "Ihr Kinderlein kommet", das ursprünglich ein Gedicht des katholischen Pfarrers und Jugendbuchautors Christoph von Schmid war. 1790 wurde es von Johann Abraham Peter Schulz, einem deutschen Komponisten und damals Hofkapellmeister in Kopenhagen, vertont.

Für unsere Ohren ist die Melodie untrennbar mit Winter und Weihnachten verbunden, in Island kennt man sie hingegen als Sommerlied. Der isländische Schriftsteller Porsteinn Erlingsson, pikanterweise ein überzeugter Atheist und Sozialist, dichtete einen neuen Text über die Schönheit des Sonnenuntergangs.

"Läute, mein Glöcklein"
Auch "Süßer die Glocken nie klingen" war ursprünglich kein Weihnachtslied. Die Melodie wurde 1808 vermutlich von Ernst Heinrich Schwabe komponiert. Bei ihm hatte das Lied noch den Titel "Seht wie die Sonne dort sinket", und im Refrain hieß es: "Trauliches Glöcklein/Du läutest so schön!/Läute, mein Glöckchen, nur zu,/Läute zur süßen Ruh!"

Erst der deutsche Theologe Friedrich Wilhelm Kritzinger schuf 1866 den heute bekannten Text über Weihachten, Engel und Christkind.

"Jingle Bells" im Weltraum
Sogar das erste Lied, das aus dem Weltraum übertragen wurde, war ein Weihnachtslied. Die zwei NASA-Astronauten der Gemini-6-Mission erlaubten sich im Dezember 1965 einen Scherz und berichteten von einem Flugobjekt, das verdächtig wie der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten aussehe, um dann "Jingle Bells" zu spielen.

Ihre heimlich an Bord geschmuggelten Musikinstrumente, eine Mundharmonika und ein Schellenband, befinden sich heute im Raumfahrtmuseum der Smithsonian Institution in Washington.

Streit über Entstehungsort
"Jingle Bells" wurde vor genau 150 Jahren erstmals publiziert. Es war zwar ein Winter-, aber kein Weihnachtslied. Der ursprüngliche Titel lautete "One-Horse Open Sleigh", weil es im Text um junge Männer und ihre winterlichen Pferdeschlittenrennen geht.

Außerdem gibt es in den USA seit etwa 20 Jahren einen Streit darüber, wo der Komponist James Lord Pierpont das inzwischen weltberühmte Lied verfasste. Sowohl Savannah in Georgia als auch Medford in der Nähe von Boston beanspruchen diese Ehre für sich.

Keine Weihnachts-Nummer-eins
Selbst der vielleicht bekannteste Pop-Weihnachtshit, "Last Christmas" von Wham!, kann mit einer durchaus interessanten Hintergrundgeschichte aufwarten - denn 1984 war ein besonders umkämpftes Jahr in Sachen Weihnachtssongs, und entgegen landläufiger Meinung war der Song nie Nummer eins in der Hitparade.

Das von George Michael komponierte Lied lieferte kurz vor Weihnachten "Do They Know It's Christmas?", der Benefizsingle von Bob Geldofs Band-Aid-Projekt, ein Duell. Wham! zog dabei den Kürzeren: In so gut wie allen internationalen Hitparaden wurde "Last Christmas" von Band Aid geschlagen - und das trotz des unvergessenen, mit zahlreichen Moonboots veredelten Videoclips.