Faschistinnen, eine Kommunistin, eine Autorin, eine Herzogin

Die schillernden Töchter des Barons von Redesdale.
Die britischen Mitford-Schwestern geistern nicht erst seit dem Gerücht durch die britischen Medien, eine von ihnen habe Hitler einen Sohn geboren. Die sechs Frauen galten von den 20er und 30er Jahren an als legendäre Skandal-, Drama- und Glamourqueens.

Derzeit wird ihre Geschichte wiederentdeckt. Erst im November ist im Harper-Verlag eine 864 Seiten starke Sammlung von Briefen der Schwestern erschienen, herausgegeben von Charlotte Mosley, der Schwiegertochter von Diana Mosley, einer von ihnen. Das sei nur eine Auswahl der insgesamt 12.000 Briefe, wie die "Welt" berichtet.

Es liegen auch mehrere Biografien der Schwestern vor.

Das Erbe des Vaters
Ihr Vater David Bertram Ogilvy Freeman-Mitford erbte den Titel des Barons von Redesdale. Er war Mitglied verschiedener rechter, antisemitischer Organisationen. Seine politische Einstellung hinterließ tiefe Spuren in der Familie.

Eines der Mitford-Mädchen, Unity, gehörte dem engeren Kreis um Adolf Hitler an. Eine zweite, Diana, war mit dem Anführer der britischen Faschisten, Sir Oswald Mosley, verheiratet. Eine weitere entschied sich für das Gegenteil, wurde Kommunistin und kämpfte im spanischen Bürgerkrieg. Freeman-Mitford hatte auch einen Sohn.

Das US-amerikanische Public Broadcasting System (PBS), das 355 öffentliche, nicht-kommerzielle TV-Stationen betreibt, hat auf seiner Website Kurzbiografien der sieben Geschwister veröffentlicht, die im Folgenden zusammengefasst werden.

Nancy, die Schriftstellerin
©Bild: Roloff Beny/Library and Archives Canada
©Bild: Roloff Beny/Library and Archives Canada
Die älteste der sieben Kinder von David Mitford und Sydney Bowles wurde 1904 in London geboren. Nancy wurde wie ihre Schwestern zu Hause unterrichtet, weil ihr Vater dem öffentlichen Unterricht von Mädchen skeptisch gegenüber stand.

1931 veröffentlichte Nancy ihr erstes Buch. Ihr fünfter Roman, "The Pursuit of Love" (1945) führte zu ihrem Durchbruch als Autorin. Sie schrieb außerdem für die "Vogue" und andere Zeitschriften und war gesellschaftlich gefragt - wie auch alle ihre Schwestern.

Nach mehreren unglücklichen Beziehungen und geschiedenen Ehen ließ sie sich in Paris nieder. Neben ihren Romane war sich auch für verschiedene Biografien bekannt, etwa über Voltaire (1957). 1969 starb sie an Krebs.

Pamela, "die Frau"
Pamela, die zweite der Schwestern, wurde 1907 geboren und galt wegen ihrer Vorliebe für das häusliche Landleben als Ruhepol der Familie. Ihre Schwestern nannten sie deshalb einfach "Woman", also Frau, oder kürzer "Woo".

Sie heiratete einen Arzt. Das Ehepaar nahm die beiden Söhne ihrer Schwester Diana bei sich auf, während diese im Gefängnis saß. Pamela starb 1994.

Tom, der Bub
Der 1909 geborene Tom war Anwalt und liebte Musik. Er spielte für die Schwestern eine wichtige Rolle, weil er von der Schule "die weite Welt" mit ins Haus brachte.

Tom studierte in Wien Deutsch und Musik. Auch er war von Hitler beeindruckt, als er ihn gemeinsam mit seinen Eltern in Berlin traf. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er dennoch auf der Seite der Alliierten und starb 1945 in Burma. Sein Vater soll den Tod des einzigen Sohnes nie verwunden haben.

Diana, die Schöne
Die dritte der Schwestern wurde 1910 geboren. Sie galt als klassische Schönheit. Sie heiratete Bryan Guiness, den Erben der Guiness-Brauerei, und hatte mit ihm zwei Söhne.

©Bild: APA/Str
©Bild: APA/Str

Diana verließ ihren Mann später für Sir Oswald Mosley, den Anführer der Britischen Faschisten-Union (BUF), den sie nach dem Tod seiner Frau auch heiratete. Diana unterstützte die politischen Anliegen ihres Mannes tatkräftig und wurde gemeinsam mit ihm nach dem Krieg wegen Kollaboration mit Deutschland eingesperrt. Nach dem Krieg wanderte sie nach Frankreich aus.

Der Tod ihres Mannes nach fast fünfzig gemeinsamen Jahren war ein schwerer Schock für sie, wie Wikipedia berichtet. Sie starb 2003 an den Folgen eines Sturzes.

Unity, die Faschistin
Unity wurde 1914 geboren. Sie teilte sich ein Zimmer mit Jessica, ist auf der PBS-Website zu lesen. Während sich auf Unitys Wand faschistische Symbole fanden, war auf Jessicas Seite genau gegenüber eine Regal mit kommunistischen Büchern zu sehen. In der Familie nahm man den Idiologiekrieg der beiden - zunächst - mit Humor.

Unity trat ihrer Familie und besonders ihrem Vater gegenüber rebellisch auf. Bei gesellschaftlichen Anlässen sorgte sie für Aufruhr, wenn sie ihr Haustier, eine Ratte, mitnahm. Als sie plötzlich alle mit dem Hitlergruß grüßte, hielt die Familie das für einen neuen ihrer Scherze.

Aber Unity ging nach Deutschland, wo sie sich dem Kreis um Adolf Hitler anschloss und sich mit ihm anfreundete. Sie war dem Führer so nahe, dass sie zum Ärger Eva Brauns "First Lady" genannt wurde. 1939 schoss sie sich aus Gram über den Kriegsbeginn eine Kugel in den Kopf, überlebte aber schwer behindert. 1948 starb sie an den Spätfolgen ihres Selbstmordversuchs.

Jessica, die Kommunistin
Jessica wurde 1917 geboren. Sie fühlte sich in der Familie am wenigsten wohl. Schon früh soll sie ihr Taschengeld gespart haben, um immer wieder für kurze Zeit von zu Hause davonzulaufen.

Schließlich folgte sie ihrem Seelenverwandten und "Helden" Esmond Romilly, Churchills "rotem Neffen", in den spanischen Bürgerkrieg. In Spanien heirateten die beiden auch. Sie waren glühende Anhänger des Kommunismus. Esmond starb im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen Nazi-Deutschland.

Jessica wanderte in die USA aus, wo sie den progressiven Anwalt Robert Treuhaft heiratete. Sie schrieb mehrere Bücher mit Angriffen gegen das Establishment. Am bekanntesten wurde ihre Abrechnung mit dem Bestattungsgewerbe, "The American Way of Death". Jessica starb 1996.

Deborah, die Herzogin
Deborah, die jüngste der Schwestern, wurde 1920 geboren. Nancy nannte Deborah bis zu ihrer Heirat "Nine", mit der Begründung, dies enstpreche ihrem geistigen Alter.

Sie verliebte sich bereits kurz nach Beginn ihrer Teilnahme am Gesellschaftsleben von London in Andrew Cavendish, dem jüngeren Sohn des Herzogs von Devonshire und heiratete ihn nur wenig später. Nachdem Andrews Bruder Billy (Der Mann von Kathleen Kennedy, ihrerseits Schwester von Jack, Bobby und Ted) im Zweiten Weltkrieg fiel, wurde Andrew der Erbe des Herzogtums.

Seither widmeten er und Deborah sich ganz dem Erhalt des Erbes. "Debo" überwacht auch das Andenken ihrer Schwestern und versucht unautorisierte Biografien zu verhindern. Sie ist die letzte überlebende der Mitford-Schwestern.

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