Am Mittwoch tagte die Geschäftsleitung des Panzerbauers Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug GmbH (SSF) in Permanenz. Auch Vertreter des amerikanischen Eigentümers General Dynamics waren angereist. Details wurden wegen einer sofort verhängten Nachrichtensperre allerdings keine bekannt.
Verlagerung zu Mowag?
Es gilt allerdings als nicht ausgeschlossen, dass die angekündigte Stornierung des 800-Millionen-Euro-Deals das Schicksal des Werks entscheiden könne. SSF-Betriebsratsobmann Reinhold Steiner äußerte jedenfalls bereits "größte Sorge um die Arbeitsplätze und die langfristige Absicherung des Standortes Wien".
Denkbar wäre laut "Kurier", dass die US-Eigentümer die gesamte Radpanzertechnik zum Schweizer Panzerbauer Mowag verlagern, der wie SSF zur European Land Combat Systems des US-Rüstungsmultis gehört.
Starke Konkurrenz aus Finnland
Als die in Wien-Simmering ansässige SSF am 9. Juni 2006 den Vertrag zur Lieferung von 234 Pandur-II-Radpanzern um rund 800 Millionen Euro an die tschechische Armee endlich nach monatelangem Tauziehen in der Tasche hatte, schien zunächst der Triumph über den finnischen Erzrivalen Patria perfekt.
Nun droht für Steyr die dritte Niederlage in Serie gegen den "Angstgegner" Patria.
"Rein politische Motive
Steiner vermutet rein politische Gründe als Motiv für die plötzliche Ablehnung aus Tschechien.
Beobachter sehen laut "Kurier" Parallelen zum österreichischen Eurofighter-Geschäft: Eine Regierung kaufe ein System. Die Nachfolgeregierung wolle es nicht und versuche, das Produkt schlechtzumachen. Die Folge sei jedes Mal ein Imageschaden für das Produkt.
Finnische Panzer für Slowenien
Bereits im Sommer 2006 hatte SSF bei der Ausschreibung eines Großauftrags der slowenischen Armee gegen Patria den Kürzeren gezogen. Dabei ging es um ein Auftragsvolumen von rund 263 Mio. Euro.
Nun werden die Finnen und nicht Steyr insgesamt 136 Panzerfahrzeuge liefern.
Auch Kroaten setzen auf Finnen
Anfang August 2007 setzte es den nächsten Schlag für Steyr: Die kroatische Regierung beschloss am 2. August, 84 Radpanzer von Patria zu kaufen. Der Kaufpreis wurde nicht bekanntgegeben, nach Angaben von Verteidigungsminister Berislav Roncevic war das Angebot der Finnen jedoch um 42 Mio. Euro günstiger als jenes von SSF.
Vergleiche man das Komplettangebot (mit Zusatzausrüstung), sei Patria sogar um 57,5 Mio. Euro günstiger, hieß es aus Zagreb.
Absage auch aus Mazedonien?
Auch die mazedonische Regierung hatte bereits Anfang 2006 angekündigt, 130 gepanzerte Truppentransporter zu beschaffen.
Um sich das aufwendige Auswahlverfahren zu ersparen, wollte sich die Regierung in Skopje an der Entscheidung der Experten in Zagreb orientieren - auch hier könnte also bereits eine Vorentscheidung gegen den Pandur II von Steyr gefallen sein.
Nach Auskunft von Steyr ist der Beschaffungsvorgang in Mazedonien jedoch noch nicht im Laufen, die Chancen sind also noch intakt.
Tschechien-Auftrag noch zu retten?
Doch auch den Tschechien-Auftrag gibt man in Simmering noch nicht endgültig verloren: Für Donnerstag sei ein Gespräch im Verteidigungsministerium in Prag angesetzt, hieß es heute gegenüber der APA.
Auch nach Ansicht von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) ist die Kündigung des Auftrags noch nicht besiegelt. "Das offensichtliche Auftragsstorno ist nicht zur Kenntnis zu nehmen", sagte der Minister am Rande einer Indien-Reise zur APA. Wie das Unternehmen selbst sei er "der Ansicht, dass noch Gespräche mit Tschechien zu führen sind".
Rund 500 Mitarbeiter
Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeuge hat derzeit rund 500 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2006 einen Umsatz von rund 170 Mio. Euro. Gewinnzahlen gibt man nicht bekannt.
Das Unternehmen gehört zur Division European Land Systems des amerikanischen Rüstungskonzerns General Dynamics. SSF war 1998 aus den oberösterreichischen Steyr-Daimler-Puch-Werken ausgegliedert und an eine österreichische Investorengruppe verkauft worden.
Das Vorzeigeprodukt von SSF ist der Pandur-Radpanzer, von dem 260 Stück an Portugal verkauft wurden - dieser letzte große Deal im Wert von 365 Mio. Euro liegt allerdings fast drei Jahre zurück.
Die finnische Patria hat laut Geschäftsbericht 2006 rund 2.450 Beschäftigte und setzte im Vorjahr 448 Mio. Euro um. Darüber hinaus wurden allein 2006 neue Aufträge in Höhe von 554 Mio. Euro akquiriert.
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