Der 75-jährige Philosoph und Romanautor schreibt darin, Joseph Ratzinger liege mit seiner Einschätzung völlig falsch, dass der Atheismus Antrieb für Ideologien wie Nationalsozialismus und Kommunismus gewesen sei und so für die größten Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts gesorgt habe.
"Spur schrecklicher Zerstörungen"
In "Spe salvi", seiner zweiten Enzyklika, beschäftigt sich Benedikt mit der christlichen Hoffnung. Daneben verurteilt er den Atheismus und macht ihn für einige der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte verantwortlich.
Der Atheismus sei vor allem im 19. und 20. Jahrhundert als moralischer Protest gegen Ungerechtigkeit gewertet worden, schreibt der deutsche Papst. Eine von Ungerechtigkeit, dem Leiden Unschuldiger und der Arroganz der Macht geprägte Gesellschaft könne nicht das Werk eines gütigen Gottes sein, zitierte Benedikt atheistische Autoren.
Jedoch habe die Geschichte den Gott leugnenden Marxismus als Irrlehre widerlegt: "Es ist kein Zufall, dass dieses Konzept zur größten Grausamkeit und Verletzung der Gerechtigkeit geführt hat." Der Marxismus habe eine "Spur schrecklicher Zerstörungen" hinterlassen, weil er verkannt habe, dass der Mensch nicht ausschließlich das Produkt wirtschaftlicher Verhältnisse sein könne.
Franco, die Nazis und die Religion
Eco sieht im Text des Papstes eine indirekte Replik auf Jose Saramago und dessen Aussage, dass wir, wären wir alle Atheisten, in einer friedlicheren Gesellschaft leben würden. Saramago wurde vom Vatikan öffentlich als Blasphemiker bezeichnet.
Eco schreibt in "L'espresso", er teile Saramagos Ansicht nur bedingt. Doch nicht ohne Grund hätten sich die Nationalsozialisten "Gott mit uns" auf die Fahnen geschrieben.
Außerdem wolle er darauf hinweisen, dass "die Militärkapläne der Falangisten die faschistischen Wimpel segneten, dass der Massenmörder Francisco Franco von religiösen Prinzipien inspiriert war, (...) dass sich Katholiken und Protestanten über Jahre hinweg fröhlich massakrierten, dass sowohl die Kreuzritter als auch ihre Feinde aus religiösen Gründen handelten ..."
Durch Religion aufgestachelt
Für Osama bin Ladens islamistischen Terror gelte das ebenso wie für US-Präsident George W. Bush, der unter dem Motto "God bless America" den Irak angegriffen habe.
Ecos Fazit: Religion sei nicht, wie von Marx und Lenin behauptet, Opium - das Rauschmittel führt zu Apathie -, sondern eher Kokain fürs Volk gewesen - anstachelnd und euphorisierend.
"Keine Hoffnung ohne Gott"
Eine Enzyklika ist ein Rundschreiben des Papstes an die Mitglieder der Kirche. In seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est" (Gott ist Liebe) hatte sich der Papst mit der menschlichen Liebe befasst.
In seiner nun veröffentlichten Schrift mahnte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche die Christen, ihre Hoffnung in Gott und nicht in Technik, Reichtum oder politischen Anschauungen zu suchen, die die Menschen oft verblendeten. Die Menschen brauchten Gott, weil es ohne ihn keine Hoffnung gebe, schreibt der Papst.
Allgemein wird angenommen, dass Benedikt XVI. an einer dritten Enzyklika über soziale Gerechtigkeit arbeitet, die kommendes Jahr erscheinen soll.
Links:
- Spe Salvi (offizielle deutsche Version)
- "L'espresso"-Kolumne
- Umberto Eco (Verlagswebsite)