Die Wahlplakate wichen wieder der Reklame für Luxusvillen und erotische Damenunterwäsche. Während auf Moskaus Straßen nach wochenlangem Wahlkampf-Ausnahmezustand die Normalität zurückkehrt, steigt in den Kulissen der Macht die Spannung vor einer Personalentscheidung von weltpolitischer Bedeutung.
Am 17. Dezember ist es so weit
Wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale elektrisierte eine Ankündigung der bekanntesten russischen Politikerin die Öffentlichkeit. Die Gouverneurin von St. Petersburg und langjährige Putin-Vertraute Walentina Matwijenko teilte mit, dass die Partei am 17. Dezember ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl im kommenden März benennen werde.
Dass die Partei gerade erfolgreich ihre Zweidrittelmehrheit in der Duma ausgebaut hatte, geriet durch diese Nachricht ins Hintertreffen.
Noch keinen Favoriten genannt
In zwei Wochen dürfte endlich klarer werden, welchen Weg das wieder erstarkte Riesenreich einschlagen wird. Der Kreml-Chef weiß genau, dass nur der Kandidat Chancen bei der Wahl hat, dem er öffentlich das Vertrauen ausspricht.
Bisher gab es keine dauerhaft haltbaren Belege dafür, dass Putin sich schon entschieden hat, wem er zum Ende der zweiten und gemäß Verfassung letzten Amtszeit seine Gunst erteilt.
"System Putin" als Achterbahnfahrt
Putin rief das Wahlvolk in den vergangenen Wochen dazu auf, ihm das Schicksal des Landes mehr oder minder blind anzuvertrauen. Niemand scheint derzeit zu wissen, was Putin und der engste Machtzirkel um ihn herum vorhaben. Das "System Putin" glich im auslaufenden Jahr einer machtpolitischen Achterbahnfahrt.
Von Putins Gunst abhängig
Zunächst schickte der Kreml die beiden Vize-Regierungschefs Sergej Iwanow und Dmitri Medwedew in einen unerklärten Präsidentenwahlkampf. Als die beiden Putin-Freunde gerade begonnen hatten, Punkte bei der Bevölkerung zu sammeln, riss Putin das Steuer herum.
Er beförderte den bis dahin wenig bekannten Finanzexperten Viktor Subkow (66) zum neuen Regierungschef. Der Politiker im Pensionsalter verkündete gleich mit offenkundiger Billigung des Kremls seine Ambitionen auf das Präsidentenamt.
Vorbild Mao?
Kaum nahm die Personalie Subkow an Fahrt auf, ergriff Putin im Dumawahlkampf die Initiative und erklärte sich selbst zum Spitzenkandidaten von Geeintes Russland. Bewusst ließ er Spekulationen sprießen, er könne auf den Sessel des untergeordneten Regierungschefs wechseln oder als Parteichef nach dem Vorbild des Chinesen Mao Tse-tung die Geschicke des Reiches leiten.
Damit nicht genug, ließ sich Putin zuletzt auch noch vor den Karren einer Bewegung spannen, die ihm als "Nationalem Führer" eine Präsidentschaft auf Lebenszeit antragen will.
Von schwach zu stark
Putin hat ungeachtet seiner politischen Slalomfahrten immer wieder bekräftigt, er werde auch in Zukunft die Stabilität und den eingeschlagenen politischen Kurs im Land garantieren. Ob er das mit einem starken oder schwachen Nachfolger am besten erreichen kann, ist noch unklar.
Putin kann sich seinen Nachfolger aussuchen. Ebenso wie es sein Amtsvorgänger Boris Jelzin tat, als er zu Silvester 1999 überraschend zurücktrat. Der auserkorene Nachfolger von Jelzins Gnaden, Ministerpräsident Putin, galt jedenfalls damals als eine schwache Figur.
Stefan Voß, dpa
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