Safranskis Plädoyer für die Romantik

Rüdiger Safranski und der Geist der Romantik.
Heutzutage ruft die Rede vom Romantischen eher klischeehafte Vorstellungen hervor: Kerzenlicht, schwärmerische Verliebtheit.

Dass sich aber um 1800 vor allem Künstler und Philosophen "Romantiker" nannten und sich aufmachten, mit ihrer unerhörten poetischen und reflektierten Fantasie die damals schon enträtselte Welt aufs Neue zu verzaubern, davon ist heute kaum etwas geblieben.

Herder als Wegbereiter
In seinem Buch "Romantik" versucht Rüdiger Safranski, dieser Geistesströmung wieder Gehör zu verschaffen. Mit seinen Biografien zu E. T. A. Hoffmann, Schopenhauer, Nietzsche und zuletzt Schiller hat er hierfür bereits wichtige Vorarbeiten geleistet, die nun in dem aktuellen Buch in eine Gesamtschau münden.

Safranski sieht Herder und Schiller als Wegbereiter der Romantik - vor allem Schillers Einsicht, wonach der Mensch nur im Spiel ganz zu sich selbst komme. Von da aus eröffnet der Autor das Panorama der Epoche - von den verwegenen Anfängen Ende des 18. Jahrhunderts in Jena bis zu den eher restaurativen Ausklängen einige Jahrzehnte später.

Herrlich unakademisch
Die romantischen Zentralbegriffe wie Ironie und Universalpoesie erklärt Safranski unakademisch, auch zeichnet er - dramaturgisch gekonnt - anschauliche Porträts der Protagonisten und ihrer Werke.

Dass er sich dabei weitgehend auf die Literaten wie die Gebrüder Schlegel, Eichendorff und Tieck beschränkt, dagegen die Maler, Komponisten und auch die Wissenschaftler fast völlig außer Acht lässt, kann man ihm angesichts der Fülle des Materials nachsehen.

Ist Romantik überall?
Schwierige Zusammenhänge eingängig zu erklären ist sicher eine der Stärken von Safranski, wie er auch als Gastgeber im "Philosophischen Quartett" immer wieder beweist. Allerdings kommt es dabei auch zu Vereinfachungen, die sich spätestens im zweiten Teil des Buches rächen.

Dieses nimmt "das Romantische" in den Blick und fragt nach den Folgen der Romantik in der deutschen Geschichte - vornehmlich im Nationalsozialismus und in der 68er-Bewegung.

Vergessen aufs Göttliche
Von dem inspirierenden und feinsinnigen Geist der Romantiker ist hier nur noch wenig zu spüren, vielmehr herrschen Schlagworte wie das Dionysische vor. Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Leben beziehungsweise Politik werden ziemlich schematisch beantwortet.

Überhaupt gilt am Ende all das als romantisch, was auch nur irgendwie gegen die bestehenden Verhältnisse opponiert. Dass die Romantiker aber nicht nur schwärmerisch waren, sondern mit ihren poetischen Träumen differenziert und beherzt zugleich auf eine Realität im höheren Sinne zielten, scheint Safranski am Ende wieder vergessen zu haben.

Thomas Oser, dpa

Buchhinweis
Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre. Carl Hanser Verlag, 416 Seiten, 25,60 Euro.

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