Mehr Selbstmorde als Gefallene im Irak

"Times": Jeder vierte Obdachlose in den USA ist ein ehemaliger Soldat.
In den USA ist die Suizidrate unter ehemaligen Soldaten in den letzten Jahren rasant angestiegen.

Allein im Jahr 2005 hätten sich 6.256 Veteranen das Leben genommen, im Durchschnitt 17 pro Tag, berichtet die britische "Times". Die Zahl der Selbstmorde unter Veteranen liege damit bereits über jener der im Irak gefallenen Soldaten - rund 3.800 seit der Invasion 2003.

"Mentale Epidemie"
Grund für diese "mentale Epidemie" ist laut der Zeitung offensichtlich die psychische Belastung durch die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan.

"Nicht jeder kommt verwundet aus dem Krieg zurück, aber keiner kommt so wieder, wie er gegangen ist", zitiert die "Times" den Gründer der Iraq and Afghanistan Veterans for America (IAVA), Paul Rieckhoff.

Jeder vierte Obdachlose ein Ex-Soldat
Hinzu kommen oft materielle Probleme nach dem Ausscheiden aus der Armee: In den USA ist laut der Zeitung jeder vierte Obdachlose ein ehemaliger Soldat, wobei der Anteil der Veteranen an der US-Gesamtbevölkerung nur elf Prozent ausmache.

Bis zu viermal mehr Suizide
Die Zahl der Suizide unter ehemaligen Armeeangehörigen sei schließlich im Vergleich zur zivilen Bevölkerung zumindest um 100 Prozent höher, heißt es in der Zeitung unter Berufung auf eine Untersuchung des US-TV-Senders CBS.

Während die Zahl der Selbstmorde in der US-Gesamtbevölkerung bei 8,9 unter 100.000 liege, begingen durchschnittlich 18,7 bis 20,8 von 100.000 Armeeangehörigen Selbstmord.

Bei jungen Männern bis 24 Jahre reiche dieser Schnitt sogar bis zu 32 unter 100.000. Er ist damit viermal so hoch wie unter Gleichaltrigen, die nicht in der US-Armee dienten.

"Regierung will keine Zahlen"
"Diese Zahlen zeigen ganz deutlich das Ausmaß der mentalen Gesundheitsprobleme", zitiert der US-Sender Paul Sullivan, der sich für die Rechte ehemaliger Armeeangehöriger einsetzt.

Der US-Sender lässt auch den Vater eines 23-jährigen Soldaten, der sich 2005 nach seinem Einsatz im Irak das Leben nahm, zu Wort kommen. Er wirft der US-Regierung und dem Generalstab vor, das wahre Ausmaß des Problems verschleiern zu wollen. Die Regierung "will keine Zahlen", sagte der Mann gegenüber CBS.

Rate steigt auch unter aktiven Soldaten
Tatsächlich aber verfolgt auch die US-Regierung den drastischen Anstieg der Soldatensuizide mit Sorge. Im Vorjahr führte das Pentagon eine Untersuchung durch, in der die Selbstmordrate unter aktiven Soldaten näher beleuchtet wurde.

Die Studie zeigte deutlich, dass diese während der letzten Jahre kontinuierlich angestiegen war. Im Vorjahr nahmen sich laut der Untersuchung 83 aktive Soldaten im Einsatz das Leben, mehr als ein Viertel von ihnen im Irak.

Angst, Stress und griffbereite Waffe
2005 wurden 1,29 Suizidfälle pro 10.000 Soldaten registriert, 2004 noch 1,1 pro 10.000. In Afghanistan richteten im Vorjahr 25 Soldaten ihre Waffe gegen sich, 2005 waren es 14.

Als häufigste Ursachen nennen US-Armeepsychologen Angst und permanenten Stress im Einsatz, gescheiterte Beziehungen durch die lange Einsatzdauer sowie den einfachen Zugang zur Waffe.

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