Die Diskussion über die Verantwortung der Pharmafirma Grünenthal im Umgang mit den Opfern hat sich neu entzündet. Doch für die Herstellerfirma sind weitere Zahlungen an die Opfer kein Thema.
Verantwortlich, aber nicht zuständig
Der Enkel des Grünenthal-Gründers, Sebastian Wirtz, bestritt eine Schuld des Unternehmens an der Contergan-Katastrophe erneut. Das Unternehmen sehe sich zwar in der Verantwortung, sei aber für die von Betroffenenverbänden geforderten höheren Rentenzahlungen nicht zuständig, sagte der Firmeninhaber der "Bild"-Zeitung (Freitag).
Das sei Aufgabe der Stiftung, auf die sich die deutsche Bundesregierung, Grünenthal und Betroffene 1972 geeinigt hatten. Der Firmenanteil am Fonds ist allerdings bereits 1997 versiegt.
"Stark emotionale Atmosphäre"
Gegenüber der Redaktion des ARD-Magazins "Hart, aber fair" hatte Grünenthal zuletzt in einer schriftlichen Stellungnahme festgehalten, es werde nicht erwogen, den Contergan-Geschädigten erneut Geld zu zahlen.
Ein wichtiger Grund dafür sei die "derzeit stark emotionale Atmosphäre" durch den ARD-Fernsehfilm "Contergan".
Großes Interesse am "Contergan"-Film
Wie das "Handelsblatt" (Freitag) berichtet, wurde der "Contergan"-Zweiteiler bereits nach Frankreich und Italien verkauft. "Auch in Spanien stehen wir kurz vor dem Verkauf. In Großbritannien gibt es ein großes Interesse an diesem Skandal", sagte Koproduzent Jan Mojto von der Filmfirma Eos der Zeitung.
Mojto will demnach den Fernsehfilm auch noch als Kinoproduktion für den internationalen Markt verkaufen. "Wir wollen möglichst bald eine Kinofassung auf den Markt bringen."
Die Zuschauerreaktionen fielen sehr positiv aus. Viele Contergan-Opfer hatten diese "längst fällige" Auseinandersetzung begrüßt.
Vor 50 Jahren auf den Markt gekommen
Das Schlafmittel Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid war am 1. Oktober 1957 von Grünenthal auf den Markt gebracht worden und versprach werdenden Müttern eine ruhige Nacht.
Das lange rezeptfrei erhältliche Mittel löste einen der größten Medizinskandale aus. Weltweit kamen 10.000 Kinder zum Teil schwer fehlgebildet zur Welt, oft fehlten Arme oder Beine.
In Österreich hieß das Mittel Softenon und war rezeptpflichtig - es gibt hierzulande daher "nur" zwölf offiziell bekannte Contergan-Opfer.
Eingestelltes Verfahren
Die Erkenntnis, dass Contergan die Fehlbildungen von Babys verursachte, war ein nationaler Schock. Es folgten ein Jahrzehnt lang andauernde juristische Auseinandersetzungen.
Nach einem außergerichtlichen Vergleich wurde das Verfahren wegen "geringer Schuld" eingestellt. Ein Urteil oder ein Schuldanerkenntnis erfolgten niemals.
Anknüpfend an diese wahren Begebenheiten inszenierte Regisseur Adolf Winkelmann einen bewegenden TV-Zweiteiler, der unter dem Titel "Contergan - Eine einzige Tablette" am Mittwoch und Donnerstag in der ARD und im ORF zu sehen war.
Grünenthal wollte Film verhindern
Der Pharmahersteller hatte versucht, die Ausstrahlung des Zweiteilers gerichtlich zu stoppen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht machte den Weg für die Ausstrahlung nach langem juristischen Tauziehen im September frei.
Großes Zuschauerinteresse
Der TV-Zweiteiler "Contergan" und die "Menschen & Mächte"-Doku "Der Contergan-Skandal - Die Opfer - die Folgen" erreichten im ORF einen weitesten Seherkreis von 2,069 Millionen Zuseherinnen und Zusehern.
Mit durchschnittlich 724.000 Zuschauern bei 30 Prozent Marktanteil erreichte "Contergan - Der Prozess" am 8. November sogar ein noch größeres Publikum als Teil eins am Tag davor ("Contergan - Eine einzige Tablette": 691.000 Zuschauer). In der ARD zeigten 7,27 bzw. 6,85 Millionen Zuschauer beim Contergan-Zweiteiler Interesse an dem Thema.
Links:
- tv.ORF.at
- Contergan-Skandal (Wikipedia)
- Bundesverband Contergan-Geschädigter (Deutschland)
- Grünenthal