"Schneeflocken" aus dem Pentagon

"Sie wollen Führung. Opfer = Sieg".
Dass der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ein Faible für interne Memos hatte, war bekannt. Im Pentagon wurden die weißen Zettelchen "Schneeflocken" genannt, weil sie mit der entsprechenden Dichte - 20 bis 60 pro Tag - auf die Mitarbeiter einprasselten.

Was in den Memos stand, weiß man jedoch erst jetzt: Am Donnerstag, genau ein Jahr nach der Ankündigung von Rumsfelds Rücktritt als Minister, veröffentlichte die "Washington Post" einen Schwung von Rumsfelds internen Anweisungen - zum Entsetzen des Weißen Hauses.

Muslime haben "keine Ahnung von Arbeit"
Auf einem Zettel schrieb Rumsfeld etwa, dass Muslime aufgrund des Ölreichtums "nur allzu oft körperliche Arbeit scheuen, weshalb sie dann Koreaner und Pakistanis anheuern, während ihre eigenen jungen Leute arbeitslos bleiben". Die seien dann umso anfälliger für Radikalismus.

Generell, so der ehemalige Pentagon-Chef weiter, hätten Muslime durch den Ölreichtum "oft keine Ahnung von Arbeit, Bemühungen und Investitionen, wie sie dem Rest der Welt Reichtum bringen". Das Weiße Haus distanzierte sich umgehend von den Aussagen.

Rumsfeld schweigt
Rumsfelds Ansicht entspreche "überhaupt nicht" der von US-Präsident George W. Bush, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, in einer Reaktion vor Journalisten. Sie könne es verstehen, wenn es darauf zornige Reaktionen aus der arabischen Welt gebe.

Rumsfeld selbst wollte den Zeitungsbericht nicht kommentieren. Sein Mitarbeiter Keith Urbahn beschwerte sich jedoch, die Zeitung habe "selektive Zitate" aus "einer Handvoll Memos" gebracht, die "sorgfältig aus den über 20.000 aus seiner Amtszeit ausgewählt" worden seien.

Hauptsache, die PR stimmt?
Die Zeitung selbst betont, man habe keine geheimen Memos veröffentlicht. Lediglich der Vermerk "nur für den internen Gebrauch" finde sich darauf. Bemerkenswert dabei: In keinem einzigen der veröffentlichten Memos äußert sich Rumsfeld zu seinem eigentlichen Aufgabenfeld.

Im April 2006, als die Rufe nach seinem Rücktritt immer lauter wurden, sorgte sich Rumsfeld offenbar weniger um die Lage im Irak selbst als vielmehr darum, wie man den Irak-Krieg gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit besser darstellen könne.

"Opfer = Sieg"
"Macht den Amerikanern klar, dass sie in der Welt von gewalttätigen Extremisten umzingelt sind", forderte er von seinen Mitarbeitern. Wenn das gelinge, würden sich die Amerikaner "darum reißen", sich für den Krieg "zu opfern", und weiter: "Sie wollen Führung. Opfer = Sieg".

Auch in einer Notiz vom Mai 2004 sorgt sich Rumsfeld vor allem um Regierungs-PR. Laut der damaligen Anweisung sollte getestet werden, ob bei der Bevölkerung statt des Schlagwortes vom "Krieg gegen den Terror" nicht "Krieg gegen den weltweiten Aufstand" besser ankäme.

Begriffsstutziges Europa?
Offenbar glaubte Rumsfeld seine Parolen aber selbst: Im selben Memo schrieb er, "der Feind" wolle durch Terrorismus das Staatensystem auf der Erde beenden und "die Nicht-Radikalen aus der Welt verdrängen". Europa und UNO würden das jedoch nicht begreifen.

Politik aus "wilden Ideen"
Ibrahim Hooper, Sprecher des Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen, zeigte sich wenig überrascht vom Inhalt der Rumsfeld'schen Notizen. Diese seien Zeichen der "stereotypen Haltung", die zur Invasion im Irak geführt habe.

"Unsere Politik hatte nie etwas mit der Realität zu tun", so Hooper, "unsere Politik hatte mit den wilden Ideen jener zu tun, die in der Region einmarschieren wollten. Das zeigt, was für wirrköpfige Staatenlenker wir zu diesem Zeitpunkt hatten."

Links: