Kinderhandel oder Rettungsaktion?

Anklage nach vereiteltem Kindertransport im Tschad erhoben.
Nach schwerwiegenden Vorwürfen des Tschad gegen die französische Kinderhilfsorganisation L'Arche de Zoe hat die Staatsanwaltschaft in der Stadt Abeche im Osten des Tschad Anklagen gegen 16 Europäer und zwei Tschader angekündigt. Staatsanwalt Ahmat Daoud sagte am Montagabend der Nachrichtenagentur AFP, er wolle unverzüglich den Ermittlungsrichter anrufen.

Neun Franzosen droht demnach ein Verfahren wegen Kinderhandels und Betrugs. Sieben Spanier und zwei Tschader würden wegen Beihilfe angeklagt. Daoud hatte die Verdächtigen zuvor mehrere Stunden lang verhört.

Verlegung der Verdächtigen geplant
Wie aus tschadischen Justizkreisen verlautete, sollen die Verdächtigen nach einer Anklage in die Hauptstadt N'Djamena verlegt werden. Die Europäer befinden sich seit Donnerstag in Untersuchungshaft.

Unter den Franzosen sind sechs Mitarbeiter der Hilfsorganisation L'Arche de Zoe, die nach eigenen Angaben 103 Waisenkinder aus der benachbarten sudanesischen Krisenprovinz Darfur vor dem Tod retten und nach Frankreich bringen wollte. Außerdem wurden drei Journalisten in Gewahrsam genommen.

Die Spanier gehören zur Besatzung der Chartermaschine, die L'Arche de Zoe angemietet hatte. Ein belgischer Pilot, der die 22 Mädchen und 81 Buben bis nach Abeche gebracht hatte, ist seit Sonntag in N'Djamena inhaftiert.

Schwere Vorwürfe
Der tschadische Präsident Idriss Deby hatte den Mitarbeitern von L'Arche de Zoe unterstellt, sie hätten die Kinder vielleicht an Kinderschänder in Europa verkaufen oder sie töten wollen, um mit ihren Organen zu handeln.

Auch UNHCR meldet Zweifel an
Wenngleich nicht derart drastisch, sieht auch das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) Unregelmäßigkeiten in der Arbeit der Organisation. So hat das UNHCR Zweifel daran, dass es sich bei den Kindern tatsächlich um Waisen handelt.

Bei Gesprächen mit zahlreichen der 103 etwa Drei- bis Sechsjährigen hätten diese oftmals geweint und geklagt, dass sie nach Hause zu ihren Eltern wollten, wurde UNHCR-Sprecherin Annette Rehrl am Montag zitiert.

Die tschadischen Behörden führen noch andere Indizien an: Vielen der Kinder seien Verbände angelegt worden, um sie krank aussehen zu lassen.

Behörden wollen Identität klären
Offiziell war die Reise der Kinder ein Krankentransport. Keines der Kinder hatte einen Reisepass, Kinderausweis oder ein anderes Dokument, das die Identität der angeblichen Darfur-Waisen belegen konnte. Stattdessen trugen alle Kinder Plastikarmbänder mit einer Nummer.

L'Arche sieht politische Intrige
Das private französische Hilfswerk vermutet als Grund hinter dem Schritt der tschadischen Regierung eine "politische Dimension": Der Tschad wolle mit der Aktion den geplanten Einsatz der EU-Friedenstruppe im Land torpedieren, weil das zentralafrikanische Land diesen tatsächlich nicht wolle, heißt es von den Anwälten des Hilfswerks.

Außerdem hätten andere Hilfsorganisationen, die keine Konkurrenz duldeten, "starken Druck" gemacht. "Sie haben allesamt nicht ertragen, dass man bei dem Gemetzel in Darfur mit allen Mitteln versucht, Kinder zu retten."

Gründung nach Tsunami 2004
L'Arche de Zoe ist eine vergleichsweise kleine Hilfsorganisation, die ein französischer Feuerwehrmann, Eric Breteau, nach der Flutwellenkatastrophe in Südostasien gegründet hatte. Sie ist nach einem indonesischen Mädchen benannt, das nach dem Tsunami im Dezember 2004 gerettet wurde.

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