Die 'Ndrangheta wird beschuldigt, illegal Atomabfälle nach Somalia verschifft zu haben. Sie soll auch an der "geheimen Produktion" von Plutonium arbeiten.
Energieinstitut soll mitmischen
Gegen zwei Mitglieder eines Clans der 'Ndrangheta laufen bereits Ermittlungen. Ebenfalls im Visier der Justiz sind acht ehemalige Mitarbeiter des staatlichen Instituts für neue Technologien, Energie und Umwelt (ENEA).
Sie werden verdächtigt, bereits in den 80er und 90er Jahren die Mafia bezahlt zu haben, ihnen Atomabfälle abzunehmen. Die ordentliche Entsorgung der radioaktiven Abfälle wäre viel teurer geworden.
"Spezieller und gefährlicher Abfall"
Zu dieser Zeit war die Zentrale der ENEA in der Ortschaft Rotonelle in der Basilikata im Stiefel Italiens angesiedelt. Die Spezialität von ENEA: die Handhabung von "speziellem und gefährlichem Abfall". An anderen Standorten studiert das Institut Nuklearverschmelzung und -spaltung.
Vom Schutzgeld zum Drogenhandel
Die 'Ndrangheta entwickelte sich laut den Ermittlern von einer Schutzgeldorganisation dank ihrer Verbindung zu kolumbianischen Kartellen zu Europas größtem Kokainimporteuer.
Sollte die Organisation nun wirklich ins illegale Geschäft mit radioaktivem Material eingestiegen sein, hätte das eine neue Qualität, so die Ermittler.
ENEA wiegelt ab
Bei ENEA will man davon nichts wissen. Man habe immer innerhalb der Regeln gehandelt und sei unter strikter nationaler und internationaler Beobachtung, wie es vorgeschrieben sei, so ein hoher Mitarbeiter der Energieagentur, der laut "Guardian" nicht namentlich genannt werden wollte.
Abtrünniger packte aus
Francesco Basentini, ein hoher Beamter in Potenza, der Hauptstadt der Basilikata, hatte den Fall ins Rollen gebracht. Die Ermittlungen weiteten sich aus, und bald fand sich auch ein abtrünniger Mafioso, der den Behörden Details zu den Atomgeschäften lieferte.
Öffentlich bekannt wurde der Fall durch eine undichte Stelle in der Polizei, die die Aussagen an die italienische Presse weiterleitete.
Nur Platz für 500 Fässer
Der Informant erzählte auch über seine eigene Rolle in dem neuen Geschäftszweig der 'Ndrangheta. So soll ein ENEA-Manager dem Clan Geld bezahlt haben, um 600 Fässer giftiger und radioaktiver Abfälle aus Italien, der Schweiz, Frankreich, Deutschland und den USA in Somalia zu "entsorgen", so der Polizeiinformant laut "Guardian".
Da das Schiff nach Somalia allerdings nur 500 Fässer aufnehmen konnte, wurden die restlichen 100 Fässer an einem geheimen Ort in der Basilikata vergraben.
Heimat soll "sauber gehalten werden"
Die Clanmitglieder hätten sich nicht getraut, die Giftfässer in dem benachbarten Kalabrien zu vergraben. Die Gründe: Man liebe die eigene Heimat und wolle sie "sauber" halten, außerdem seien bereits sehr viele getötete Entführungsopfer in den Grotten und Höhlen in Kalabrien "verborgen".
Spuren verliefen im Sand
Ermittler suchen noch immer die in der Basilikata vergrabenen Giftfässer. Bisher hatten sich alle Spuren im Sand verlaufen.
In einer Parallelaktion wurden nicht radioaktive Giftfässer, die die 'Ndrangheta in der Nähe von Matera in der Basilikata vergraben haben soll, gesucht, so die italienische Nachrichtenagentur ANSA.
Politiker wurden geschmiert
Die Verschiffung der radioaktiven Abfälle in Somalia, wo Politiker geschmiert wurden, um die Giftfässer vergraben zu können, ging laut "Guardian" bis weit in die 90er Jahre weiter.
"Giftschiffe" landeten auf dem Meeresgrund
Doch die 'Ndrangheta bedient sich noch einer weiteren Methode der Abfallentsorgung: Schiffe mit Giftfässern werden auf dem Meer gesprengt und so zum Sinken gebracht. Der Abfall ist entsorgt, und die Versicherung zahlt für das "verloren gegangene" Schiff.
Zeitung: Plutonium angeboten
Obwohl der Informant keine genauen Angaben zu der Herstellung von Plutonium machte, schrieb die italienische Tageszeitung "Il Giornale", dass die Mafiosi in das Geschäft mit Plutonium eingestiegen sein könnten. Sie sollen das Plutonium sogar bereits ausländischen Regierungen angeboten haben.
Traurige Bekanntheit erreichte die 'Ndrangheta im Sommer: Sie soll hinter den sechs Morden im deutschen Duisburg stehen.
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